Armin Schwarz

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Armin Schwarz (1845–1922), der seine Arbeiten auch mit Oscar Schwarz, Heinrich Schwarz, beziehungsweise „Jean Qui Rit“ zeichnet, nimmt unter den Übersetzern, die zur Rezeption französischer Literatur in Österreich-Ungarn und im deutschsprachigen Raum beigetragen haben, einen eigenen Platz ein. Diesen verdankt er vor allem der Tatsache, dass er als erster vollständige deutsche Übersetzungen der drei Romanzyklen von Émile Zola, nämlich Les Rougon-Macquart, Les Trois villes und Les Quatre Évangiles, vorgelegt hat, die jeweils im Budapester Verlag Gustav Grimm erschienen sind.

Armin Schwarz, Übersetzer und Autor

Armin Schwarz, ein deutschsprachiger Ungar jüdischer Herkunft, ist am 3. August 1845 in Keszthely geboren. Nach Studien in Györ und Budapest arbeitet er ab 1874 als Journalist beim Pester Lloyd, der bedeutendsten deutschsprachigen Tageszeitung Ungarns, und schreibt auch für das Neue Wiener Tagblatt; beide Zeitungen sprechen das liberale Bürgertum an. Seine Tätigkeit als Übersetzer ist eng mit dem Verlagshaus Gustav Grimm verbunden, das die in Sachen Übersetzungsrechte spezifische Situation Ungarns ausnützt: Österreich-Ungarn hat nämlich im Gegensatz zum Deutschen Reich die Berner Konvention von 1886 nicht unterzeichnet, sodass Grimm die Möglichkeit hat, Übersetzungen ohne die Erlaubnis des Autors, seines Verlegers oder seiner Rechtsinhaber auf den Markt zu bringen.

Von der Übersetzung des Novellenbandes Die Abende von Médan (Les Soirées de Médan, 1880) an, der im selben Jahr wie das französische Original bei Grimm erscheint, übersetzt Schwarz nahezu alle Werke von Zola, wobei er sich mitunter auch Mitarbeiter bedient; diese Übersetzungen werden regelmäßig neu aufgelegt, was zum Teil ihre Überarbeitung und Verbesserung ermöglicht. Höhepunkte seiner Tätigkeit im Sinne der Zola-Vermittlung sind die Jahre 1888 (mit fünf erschienenen Übersetzungen) und 1890 (sieben). Für die zwischen 1892 und 1899 bei Grimm erschienene erste vollständige Ausgabe der zwanzig Bände der Rougon-Macquart (Original 1871– 1893), die zwischen 1920 und 1926 vom Berliner Verlag Harz neuaufgelegt wird, zeichnet Schwarz ebenso verantwortlich wie für Die drei Städte (Lourdes, Rom, Paris, 1904, Original, 1894–1898) und Die vier Evangelien, von denen Zola nur drei fertiggestellt hat: Fruchtbarkeit, Arbeit, Wahrheit, 1907, Original, 1899–1903).

Grimm und Schwarz haben auch mit der Tatsache gerechnet, dass ein guter Teil der Werke von Zola Themen, Beschreibungen und Handlungen enthält, die zu dieser Zeit als „erotisch“ empfunden werden, was wiederum erklärt, dass Schwarz der Zola-Übersetzer ist, der in der Bibliografie erotischer Literatur von Hugo Hayn und Alfred N. Gotendorf (9 Bände, 3. Auflage 1968) am häufigsten aufscheint. Diese Nähe zur erotischen Literatur entspricht übrigens einem der Schwerpunkte der Verlagspolitik von Grimm, der auch das Buch Émile Zola’s Mädchen- und Frauengestalten mit Zeichnungen von Gustav Sieben herausgebracht hat: dieser 1898 erstmals erschienene, schon 1899 wiederaufgelegte und 1901 als zu „erotisch“ verbotene Band besteht aus von Schwarz übersetzten, oder vielmehr adaptierten, Ausschnitten aus den Romanen Zolas, die deren Protagonistinnen mehr oder weniger zweideutig präsentieren.

Unter dem Pseudonym „Jean Qui Rit“ übersetzt Schwarz durchwegs erotische Literatur: Pierre Louÿs[1] (Das Weib und der Hampelmann, 1899 [La Femme et le pantin, 1898], ein Roman, den Luis Buñuel[2] 1977 unter dem Titel Cet obscur objet du désir verfilmt hat), Catulle Mendès[3] (Das Goldfräulein, 1897 [La demoiselle en or, 1879]) und Jean Richepin[4] (Madame Vogelleim, 1882 [La Glu, 1882]); in derselben editorischen Schiene gibt Schwarz („Jean Qui Rit“) zwischen 1887 und 1911 den Caviar-Kalender heraus, sowie Ein Märchenbuch für Erwachsene (1908) und ein Lexikon für Junggesellen (1910, in Budapest bei J. Balogh), um nur einige Beispiele für die in diesem Bereich umfangreiche Bibliografie von Schwarz zu nennen.

Einem seriöseren Register gehört die Übersetzung von Maurice Barrès[5], In deutschen Heeresdiensten: Die Schutzwälle im Osten (1907, [Au Service de l’Allemagne, Les Bastions de l’Est, 1905]) an.

Die Übersetzungen von Schwarz sind von unterschiedlicher Qualität, was angesichts ihrer großen Zahl nicht verwundert. Es handelt sich in den meisten Fällen aber um vollständige Übersetzungen, was sie von jenen der von Zola autorisierten Übersetzer (wie zum Beispiel Ernst Ziegler) unterscheidet, die oft in einer Art von „Selbstzensur“ – und mit Zolas Einverständnis – in politischer, moralischer oder religiöser Hinsicht heikle Szenen entschäft oder gar gestrichen haben. Während Yves Chevrel, der führende Spezialist der Rezeption von Zola und des Naturalismus, Schwarz’ Übersetzungen als „schlampig und ausschließlich vom lukrativen Interesse motiviert“ bezeichnet, unterscheidet Aurélie Barjonet zwei Produktionsbereiche im Verlag Gustav Grimm: einerseits die Herausgabe vollständiger Übersetzungen, die nicht schlechter sind als andere zu dieser Zeit, andererseits die erotischen Ausgaben, in denen der Text Zolas vom Übersetzer klar abgeändert und manipuliert wird; in beiden Fällen steht der wirtschaftliche Aspekt im Vordergrund.

Quellen und externe Links

Bibliografie

  • Barjonet, Aurélie: « ‘Le mieux est de rester volé et content.’ Armin Schwarz et Gustav Grimm, pirates des œuvres de Zola ». In: Les Cahiers Naturalistes 81 (2007), S. 181–196.
  • Barjonet, Aurélie: « Une version abrégée et érotique des Rougon-Macquart “made in Budapestˮ ». In : Norbert Bachleitner, Tone Smolej, Karl Zieger (Hrsg.): Zola en Europe centrale. Valenciennes: PU de Valenciennes 2011, S. 57–78.
  • Chevrel, Yves: Le Roman et la nouvelle naturalistes français en Allemagne, 1870-1893 (3 vol.). Thèse pour le doctorat ès lettres. Paris: Univ. de Paris-Sorbonne 1979, unveröff.
  • Hayn, Hugo et Gotendorf, Alfred N.: Bibliotheca Germanorum Erotica et Curiosa (9 Bde.). Hanau/Main, Dresden: Müller & Kipenheuer 1968, 3. Aufl.

Autorinnen

Aurélie Barjonet, Karl Zieger

Onlinestellung: 16/07/2025