Arthur-Augustin Taponier

Aus decaf-de
Version vom 5. Mai 2025, 09:24 Uhr von Hannah (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)

Arthur-Augustin Taponier (*24. Juni 1845 in Genf, †27. September 1901 in Carouge) hat durch ein an ein französisches Publikum gerichtetes Reisebuch von 1892 weniger über Tirol informiert denn dieses katholisch-konservative Land dem aufgeklärt-republikanisch-revolutionären Frankreich und dem protestantischen Preußen als ideales Gegenbild gegenübergestellt.

Biografie

Taponier, Sohn eines Genfer Kaufmanns, studierte zunächst Ius in Paris – wo er möglicher Weise die Kommune miterlebte – und wandte sich im Alter von 26 Jahren dem Studium der katholischen Theologie zu, zunächst, ab Herbst 1871, an der sehr konservativen theologischen Fakultät in Innsbruck. Er blieb insgesamt 7 Semester in Innsbruck, wo in diesen Jahren der Kulturkampf gegen die Bildung einer evangelischen Gemeinde tobte. Nach dem Doktorat war er Pfarrer und „archiprêtre“ in Carouge, einem bis 1816 savoyischen, also katholischen Vorort von Genf, war in vielen katholischen Vereinigungen der Westschweiz aktiv und publizierte Predigten und Vorträge, eine Broschüre Voltaire et Frédéric-le-Grand (1895) und eine weitere über den deutschen Zentrumspolitiker Windthorst (1896).

Sein wohl nicht sonderlich erfolgreiches Reisebuch Bavière et Tyrol. Notes sur l’Allemagne du Sud (1892) ist wie diese Broschüren in katholischen Verlagen erschienen, bei Lethielleux in Paris und in der Librairie de l’Université in Fribourg; die Verlagswahl zeigt, welches Publikum Taponier erreichen wollte. Er verschweigt in diesem Buch, dass er Priester war, wohl um seine Urteile über den Tiroler Katholizismus objektiver erscheinen zu lassen. Auch als Schweizer gibt er sich nicht zu erkennen, er wendet sich eindeutig an französische Leser*innen.

Die erste Hälfte dieses literarisch ziemlich anspruchslosen, nicht immer ganz genauen Reiseberichts von 364 Seiten behandelt Bayern (auch Nürnberg und Bayreuth), die zweite Tirol, mit einem Kapitel über Salzburg. Trotz seiner Unterscheidung zwischen liebenswürdigen (katholischen und konservativen) Süddeutschen und abstoßenden (protestantischen und liberalen) Preußen ordnet Taponier Salzburg und Tirol durchgehend ‚Süddeutschland' zu.

Seine Beschreibungen von Landschaften und Orten sind nicht recht geglückt; für den besonderen Charakter der Tiroler Städte hat Taponier wenig Sinn, Barock und Rokoko schätzt er nicht besonders. Hingegen beeindrucken ihn die Berge.

Wichtiger als geografische Beobachtungen sind dem Autor politische und gesellschaftliche Wertungen; durchgehend betont er die antipreußische und antiprotestantische sowie selbstverständlich antirevolutionäre Einstellung der Tiroler und Österreicher. Am Schluss plädiert er ausdrücklich für eine gegen das deutsche Übergewicht nötige Zusammenarbeit Frankreichs nicht mit Russland, sondern mit der österreichischen Monarchie: „La véritable alliance de l’avenir est là, et non pas ailleurs.[1]“ Begründet wird dieses politische Plädoyer durch die Darstellung der schlichten, ganz in ihren Traditionen lebenden, zutiefst katholischen, jedwede Modernisierung ablehnenden[2], selbstverständlich kaisertreuen[3] Tiroler*innen.

Charakteristisch für die Haltung des Autors ist die Ablehnung des „esprit juif et protestant[4]“. Im Salzburg-Kapitel (das vor allem ein Mozart-Kapitel ist) schwächt er Mozarts Freimaurertum dadurch ab, dass dieses damals ja von der Kirche noch nicht formell verdammt worden sei[5]. Es ist nicht erstaunlich, dass Taponier Andreas Hofer[6] und den Tiroler Aufstand von 1809 in einem eigenen Abschnitt ausführlich behandelt und sehr positiv beurteilt, auch als Ausdruck des Widerstands gegen den Josephinismus, Er betont an diesem Beispiel, wohl gegen kulturkämpferische Argumentationen, dass die Tiroler 1809 gezeigt hätten, dass der Katholizismus keineswegs die Vaterlandsliebe unterdrücke[7].

Zu erwähnen ist noch der Abschnitt über den Besuch des damaligen Wallfahrtsorts Judenstein[8]; der Verfasser schließt an die Nacherzählung der judenfeindlichen Legende damals gängige kritische Gedanken über das Judentum an, distanziert sich aber immerhin aus Gründen der Menschlichkeit vom aggressiven Antisemitismus Drumonts[9].

Taponier wendet sich pauschal gegen die Moderne, gegen Aufklärung und Liberalismus, gegen den Protestantismus, gegen die moderne Presse, wohl auch gegen Demokratie und Republik. Ein konkretes Feindbild ist Preußen bzw. das preußisch dominierte Deutsche Reich. Dem wird das idealisierte idyllische katholische ‚alte‘ Leben Tirols gegenübergestellt; Taponier kommt es auf dieses Ideal an, nicht auf das reale „Tirol.“

Quellen und externe Links

  1. S. 364
  2. vgl. S. 295
  3. vgl.S. 338
  4. S. 81, im Nürnberg-Abschnitt
  5. S. 182
  6. S. 297-333
  7. S. 332
  8. S. 226-246
  9. S. 237

Bibliografie

  • F. Bouchardy: Arthur-A. Taponier. Carouge-Genève: Deshusses 1942.
  • Scheichl, Sigurd Paul: „Tirol – Paradiesgärtlein der Reaktion. Die Tiroler Reise des Abbé Taponier im Jahre 1886“. In: Das Fenster (Innsbruck), Heft 10, 1972, S. 914-917.

Autor

Sigurd Paul Scheichl

Onlinestellung: 05/06/2024