Roger Bauer

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Geboren im Elsass in der Nähe von Wissembourg, agrégé d’allemand (1946), war Roger Bauer (*4. Dezember 1918 in Oberseebach, † 18. Juni 2005 in München) Professor an der Universität des Saarlandes (1962), in Straßburg (1965) und schließlich ab 1969 in München, wo er sowohl deutschsprachige Literatur als auch vergleichende Literaturwissenschaft unterrichtete.

Biografie

In seinen Forschungsarbeiten räumt Roger Bauer der österreichischen Literatur und Kultur einen zentralen Platz ein. Als Beispiel seien hier seine Dissertation über Die Welt als Reich Gottes. Grundlagen und Wandlungen einer österreichischen Lebensform (La Réalité, royaume de Dieu. Études sur l’originalité du théâtre viennois dans la première moitié du XIXe siècle, 1965) und Laßt sie koaxen, die kritischen Frösch’ in Preußen und Sachsen! Zwei Jahrhunderte Literatur in Österreich (1977) genannt, die sein Interesse für die österreichische Literatur vom Josephismus (Alxinger[1], Ratschky[2], Sonnenfels) über das Wiener Theater (das österreichische Volksstück vor Raimund und Nestroy, aber auch Grillparzer) und die Vertreter der klassischen Moderne (Kafka, Rilke, Hofmannsthal, Kraus) bis in die 1960er und 1970er Jahre (Autoren der Wiener Gruppe) zeigen.

Als „Mann des Textes[3]“ untersucht Roger Bauer die formalen, sozialen, politischen und ideologischen Kontexte, in denen die österreichische Literatur angesiedelt ist. Diese Bemühung, die literarischen Texte auf ihre Verbindungen mit Geschichte, Institutionen und Mentalitäten hin zu erforschen, ist in den zitierten Büchern offensichtlich, wo er insbesondere den italienischen Einfluss auf das Wiener Theater seit Goldoni[4] und Gozzi[5] (und später D’Annunzio[6]) hervorhebt. R. Bauers zentrale These ist die einer Kontinuität des barocken Erbes im Wiener Vorstadttheater und generell in der österreichischen Literatur. Der von Bauer gewählte komparatistische Ansatz erlaubt es ihm, bislang wenig bekannte, bzw. unbekannte Beziehungen zum italienischen und französischen Theater aufzuzeigen, wobei er die Analyse des Wiener Theaters von der lokalen Sphäre in die universelle oder zumindest europäische Sphäre verschiebt. Mit dieser Methode stellt er sich gegen die Thesen des Wiener Theaterhistorikers Otto Rommel[7], der die lokale Verankerung dieser Theaterform hervorgehoben hatte[8].

In den beiden oben erwähnten Publikationen befasst sich Bauer auch ausführlich mit der Frage der Beziehungen zwischen österreichischen und norddeutschen Denkrichtungen, wobei er den Antagonismus zwischen den aus dem protestantischen Norden und den aus dem katholischen Süden stammenden literarischen Tendenzen deutlich hervorhebt: „Cet esprit ,supranational’ du théâtre autrichien rend compte aussi bien de l’hostilité ouverte que rencontre un certain nationalisme venu du nord de l’Allemagne que de la méfiance avec laquelle on ne cessera de considérer un théâtre trop unilatéralement littéraire, au sens qu’on aimera donner à ce mot en Autriche, c’est-à-dire où prévaudraient les spéculations, les fantaisies trop ambitieuses ou trop personnelles d’auteurs insoucieux de l’efficacité théâtrale.[9]

Roger Bauers Gleichsetzung von Süddeutschland und dem katholischen Österreich mit dem barocken Erbe mag zwar kritisiert worden sein[10], es muss doch betont werden, dass er in dieser Hinsicht äußerst nuanciert bleibt: Was Bauer als „barock“ bezeichnet, ist eine österreichische Eigenart, die zwar bewahrt wurde, aber in der Lage ist, neue Kombinationen einzugehen, und er hebt ausdrücklich das Interesse hervor, ja die (wenn auch selektive) Begeisterung des österreichischen Publikums für die Publikationen aus Norddeutschland.

Für seine Forschungen zur österreichischen Literatur und Kultur wurde Roger Bauer 1972 mit dem Grillparzerring sowie 1983 mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Kunst und Wissenschaft 1. Klasse ausgezeichnet.

Quellen und externe Links

Bibliografie

  • Bauer, Roger: La Réalité, royaume de Dieu. Études sur l’originalité du théâtre viennois dans la première moitié du XIXe siècle. München: Max Hueber Verlag 1965.
  • Bauer, Roger: Laßt sie koaxen, die kritischen Frösch’ in Preußen und Sachsen! Zwei Jahrhunderte Literatur in Österreich. Wien: Europa Verlag 1977.
  • Rommel, Otto: Die Alt-Wiener Volkskomödie. Ihre Geschichte vom barocken Welt-Theater bis zum Tode Nestroys. Wien: Schroll 1952.
  • Seidler, Herbert: Österreichischer Vormärz und Goethezeit. Geschichte einer literarischen Auseinandersetzung. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 1982.
  • Valentin, Jean-Marie: „Rome est à nouveau dans Rome…“ Un destin européen. In : Études Germaniques 61/3 (2006), S. 331–333.

Autor

Marc Lacheny

Onlinestellung: 24/01/2025