Verlag Schrämbl

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Die Produktion des Verlags Schrämbl (1787–1839) wurde wiederholt als eine der umfangreichsten im Wien seiner Zeit bezeichnet[1]. Umso bemerkenswerter ist der Umstand, dass mehr als ein Viertel des Verlags französischsprachige Bücher umfasste.

Geschichte des Verlags

Der Verlagsgründer Franz Anton Schrämbl (1751–1803) erhielt in Wien laut Wurzbach[2] „eine gründliche wissenschaftliche Ausbildung“, ehe er 1776 zum Direktor der k.k. Normalschule, einer Musterschule, die zugleich der Lehrerausbildung diente, nach Troppau in Österreichisch Schlesien berufen wurde. Neben der Schultätigkeit sammelte er erste Erfahrungen im Buchhandel bei dem Troppauer Verleger Georg Trassler. In diesen Jahren fühlte sich Schrämbl aber eher zur Schriftstellerei berufen. Zu seinen Veröffentlichungen zählen ein Drama mit dem Titel Edwin und Emma (1779), das es mit 17 Aufführungen sogar zu Burgtheaterehren brachte, und eine Übersetzung von Voltaires Henriade (1782/83). Diese Übersetzung sollte Friedrichs II. berühmte, in De la littérature allemande geäußerte Skepsis gegen Literatur in deutscher Sprache widerlegen. Vor allem aber weist sie den Übersetzer als Verehrer Josephs II. aus, der in der Widmung als ähnlich weiser und toleranter Herrscher wie Heinrich IV. apostrophiert wird. Erstaunlich forsch wird dagegen der Papst attackiert, der sich zu dieser Zeit mit dem Kaiser im Streit um die Oberhoheit über die Kirche in Österreich befand. Auch wird Jacques Clément, der Mörder Heinrichs III., in einer von Schrämbl eingefügten Fußnote als übelste Ausgeburt mönchischen Obskurantismus apostrophiert. Der Bezug zu Josephs Kirchenpolitik und der Schließung der Klöster in Österreich ist in dieser Übersetzung jedenfalls offensichtlich[3]. In Schrämbls Hexametern spießte die Kritik kleine Irrtümer und stilistische Schnitzer auf, dies verhinderte aber nicht die Neuauflage des Texts im Jahr 1810.

Schrämbls schriftstellerische Ambitionen verflüchtigten sich bald. 1787 kehrte er nach Wien zurück und gründete seinen eigenen Verlag, wobei er von Trassler die Rechte auf den kürzlich begonnenen Allgemeinen Großen Atlass mitnahm. Dieses kartographische Pionierwerk sollte auch seinen verlegerischen Ruhm begründen, während seine übrige umfangreiche Verlagsproduktion zu einem erheblichen Teil aus zunehmend anrüchigen Nachdrucken von in deutschen Staaten erschienenen Werken bestand. Aus seinen Nachdrucken deutscher Belletristik ragen die Sammlung von Werken deutscher Dichter und Prosaisten sowie eine Wieland-Werkausgabe hervor. Ein Verbot des Nachdrucks im Deutschen Bund wurde seit dessen Gründung diskutiert, aber erst 1835 beschlossen. Es ist sicher kein Zufall, dass der Verlag ab diesem Jahr rasch seinem Ende entgegen ging. Auch die hier gegenständliche Produktion von Büchern in französischer Sprache war selbstredend Nachdruck. Zum Unterschied vom Nachdruck von Büchern aus deutschen Staaten erregte der Nachdruck französischer Bücher aber kaum Anstoß. Erst 1866 wurde ein bilateraler Vertrag geschlossen, der unautorisierte Nachdrucke und Übersetzungen zwischen Österreich und Frankreich unterband. Schrämbl behauptete, dass ihn Joseph II. zum Nachdruck französischer und englischer Bücher regelrecht aufgefordert habe, das ist aber wenig wahrscheinlich. Auch setzte Schrämbls Produktion französischer Bücher erst 1810 ein. Die zwei Jahrzehnte zuvor waren von beinahe permanenten Kriegen gegen Frankreich geprägt, zudem hemmte die strenge Zensur in der postrevolutionären und Napoleonischen Zeit die Buchproduktion. Die Monate der Napoleonischen Besatzung 1809 nützten viele Wiener Verlage, um bis dahin verbotene Literatur zu drucken und zu verbreiten. Auch Schrämbl startete seine Produktion französischer Literatur mit einer zweisprachigen Auswahl von Voltaires Werken (1810, 39 Bde); besonders anstößige Titel wie La Pucelle d’Orléans fehlten in dieser Ausgabe aber trotz Zensurlockerungen. 1812 folgte eine Bibliothèque portative ou édition des meilleurs auteurs français en petit format de poche, ornée des gravures, die Werke von Le Sage, La Rochefoucauld, Florian und einigen anderen enthielt. Ein eher klein dimensioniertes Projekt war auch die Werkausgabe von Madame Cottin (1816, 12 Bde), während die Ausgaben der Werke von Madame de Genlis (1813–1832, 83 Bde) und die Bibliothèque instructive et amusante, ou collection des ouvrages les plus nouveaux et les plus intéressants de la littérature française (1817–1830, 61 Bde) mit – unter anderem – Werken von Chateaubriand, Madame de Staël, Le Sage und Bernardin de Saint-Pierre langfristig angelegt waren. Gleichzeitig lief auch eine Reihe mit dem Titel Recueil des Romans (1817–1825, 32 Bde), die Werke von Sophie Gay, Madame de Montolieu, Benjamin Constant, Madame de Genlis und anderen präsentierte. Einige französische Titel enthielt auch die Ausgewählte Sammlung Classischer Romane, Erzählungen und romantischer Dichtungen des In- und Auslandes (1825–1828, 44 Bde) mit einer Übersetzung von Bernardin de Saint-Pierres Paul und Virginie, die laut Titelblatt ausnahmsweise eine Original-Übersetzung von einem gewissen P. Orientalis darstellte. Der Hintergedanke der Reihenwerke bestand darin, Abonnenten anzulocken, die die Kalkulation eines solche Unternehmens bedeutend erleichterten.

Selten waren in Schrämbls Verlagskatalog französische wissenschaftliche Abhandlungen, ein Beispiel sind zwei vielbändige Werke von Buffon (Naturgeschichte der vierfüßigen Thiere, 1787–1804, und Naturgeschichte der Vögel, 1787–1806). Vergleichsweise umfangreich war dagegen das Angebot an Sprachlehrbüchern. Ein Longseller und allem Anschein nach geradezu das österreichische Französisch-Lehrbuch schlechthin war Jean-Baptiste Machats Neue französische Sprachlehre. Sie erschien bei Schrämbl erstmals 1822 und ging 1839 bereits in die zwölfte Auflage; nach Auflösung des Schrämbl-Verlags übernahm der Wiener Verlag Michael Lechner das Buch und brachte es 1880 in 45. Auflage mit dem Vermerk 134.–136. Tausend heraus. Von Machat existierten auch eine Kleine französische Sprachlehre (1832), ein Handbuch zu Machat’s französischer Sprachlehre (1834) und eine Erinnerung an Machat’s Sprachlehren (o.J.). Dazu kamen mehrere französische Konversationslehrbücher, Briefsteller und Wörterbücher.

Das ambitionierte Unternehmen des Transfers französischer Literatur und Sprache hat zweifellos sein Publikum in der österreichischen Monarchie und auch darüber hinaus gefunden – französische Drucke, die deutsche Verleger nicht schädigten, wurden sicher auch in den deutschen Staaten verbreitet. Der Verlag Schrämbl hat somit zweifellos Verdienste um den Kulturtransfer zwischen Frankreich und Österreich gesammelt. Finanziell lukrativ waren seine Unternehmungen aber anscheinend nicht. 1803, kurz vor seinem Tod, musste Franz Anton Schrämbl Konkurs anmelden – die Firma wurde von seiner Witwe dennoch weitergeführt; und auch der Nachlass des letzten Geschäftsführers der Firma weist nur geringe Aktivposten aus[4].

Quellen und externe Links

  1. Frank und Frimmel 2008, S. 176
  2. 1876, S. 254
  3. vgl. Bachleitner 2020, S. 70–72
  4. vgl. Kohlmaier 2001, Anhang

Bibliografie

  • Bachleitner, Norbert: An On/Off Affair: Voltaire in Eighteenth-Century Vienna. In: N. B., Achim Hölter und John McCarthy (Hg.): Taking Stock – Twenty-Five Years of Comparative Literary Research. Leiden, Boston: Brill 2020, S. 48–89.
  • Frank, Peter R. und Johannes Frimmel: Buchwesen in Wien 1750–1850. Kommentiertes Verzeichnis der Buchdrucker, Buchhändler und Verleger. Wiesbaden: Harrassowitz 2008.
  • Kohlmaier, Ursula: Der Verlag Franz Anton Schrämbl. Diss. Univ. Wien 2001 (https://www.wienbibliothek.at/sites/default/files/files/buchforschung/kohlmaier-ursula-franz-schrämbl.pdf; zuletzt eingesehen am 30. September 2023)).
  • Wurzbach, Constant von: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. Bd. 31. Wien: Zamarski 1876.

Autor

Norbert Bachleitner

Onelinstellung: 02/07/2024