Verlag Wallishausser

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Ansicht der Buchdruckerei Wallishauser auf dem Josefstädter Glacis, um 1830

Der Verlag Wallishausser (1784–1943) war mit dem Druck und der Verbreitung großer Teile des Wiener Theaterrepertoires während des ‚langen‘ 19. Jahrhunderts ein wesentlicher Vermittler der französischen Dramatik wie auch französischer Opern und Operetten.

Firmengeschichte

Aus Bayern zugewandert, eröffnete Johann Baptist Wallishausser (1858–1810) im Jahr 1784 eine Verlagsbuchhandlung, bald auch ein Lesekabinett, 1800 zusätzlich eine Druckerei. Mit dem Titel „Hof-Theatral-Drucker“ bzw. „k.k. Hoftheater-Buchdrucker“ dekoriert, produzierte er die Theaterzettel für die beiden Hoftheater und wurde bald zum führenden Wiener Theaterverlag. Neben den Hoftheatern bezog Wallishausser insbesondere das Repertoire des Leopoldstädter Theaters und des Theaters an der Wien in seine Produktion ein.

Betreffend die zahlreichen Besitzerwechsel (dazu Seemann und Wallishauser) sei bloß erwähnt, dass die Firma 1815 von Johann Baptist II. (1790–1831), 1833 von dessen Witwe, 1856 von Joseph Klemm[1] und 1882 von Adolph Wenzel Künast[2] übernommen wurde. 1885 wurde der Theaterverlag Leopold Rosners[3] aufgekauft, der bereits zuvor für Wallishausser gearbeitet und später in seinem eigenen Verlag prominente österreichische Autor:innen wie Anzengruber und Ebner-Eschenbach verlegt hatte; 1939 wurde die Firma arisiert. Die Verlagsaktivitäten waren bereits um die Jahrhundertwende stark ausgedünnt.

Die Dramentexte erschienen in umfangreichen Reihen mit Titeln wie „Neueste Theaterbibliothek“, „Wiener Theater-Repertoir“, „Neues Wiener Theater“ u.ä. 1854 umfasste sein Theaterkatalog (Vollständiges Verzeichniß 1854) bereits weit über 1000 Titel, darüber hinaus hielt Wallishausser in seinem Lager auch fremdverlegte und antiquarische Theatertexte bereit. Der Buchhandelshistoriker Karl Friedrich Pfau[4] schrieb 1890: „Das Archiv und das reiche antiquarische Lager aller seit mehr als 100 Jahren zur Aufführung gelangten und im Druck erschienenen Theaterstücke umfaßt mehr als 30000 Nummern und bildet eine Nachschlage- und Fundquelle für alle Theaterkreise in unerreichter Vollständigkeit.[5]

Von 1793 an war Wallishausser offiziell beauftragter Drucker der an den Hoftheatern gespielten Stücke. Seine Dramentexte wurden in den Buchhandlungen, aber auch an den Theaterkassen verkauft. Jeder in broschierter Heftform erscheinende Text kostete 17 kr., wenn man für ein Jahr subskribierte nur 12 kr. Noch 1854 kosteten seine Ausgaben durchschnittlich nicht mehr als 20 kr. Theaterenthusiasten konnten ferner auch für ein Quartal oder ein ganzes Jahr auf die täglich erscheinenden Theaterzettel subskribieren. Mit dieser Politik wohlfeiler Ausgaben sicherte sich der Verlag die größtmögliche Verbreitung. Zusätzlich konnten Wallishaussers sämtliche Dramentexte im Lesekabinett gelesen und ausgeliehen werden.

Französische Präsenz im Katalog

Neben den Klassikern Shakespeare, Lessing, Goethe, Schiller, Kleist, Grillparzer und Nestroy (mit vielen Erstausgaben), später Bauernfeld, Anzengruber und Ebner-Eschenbach findet sich bei Wallishausser mehrheitlich populäre deutsche und österreichische Unterhaltungsdramatik (pars pro toto seien A. W. Iffland, A. Kotzebue, I. F. Castelli, J. A. Gleich, Fr. Kaiser und J. Haffner genannt). Bekanntlich enthielt das Wiener Theaterrepertoire während des gesamten ‚langen‘ 19. Jahrhunderts und darüber hinaus einen hohen Anteil französischer Stücke. Auch von den bei Wallishausser vertretenen französischen Autor:innen kann nur eine Auswahl, die entweder qualitativ oder quantitativ hervorragte, erwähnt werden. In den Anfängen des Verlags begegnet man z.B. L.-S. Mercier, L. B. Picard und P.-A. Caron de Beaumarchais, in späteren Jahrzehnten E. Dupaty, C. Delavigne, A. Dumas fils, O. Feuillet, E. Augier, V. Sardou, A. de Musset, Th. de Banville, F. Coppée, F. Ponsard und A. Daudet. Pauschal formuliert dominierten die Komödien und Vaudevilles, später die Gesellschaftsstücke.

Über die unter dem Namen der französischen Originalautor:innen herausgebrachten Texte hinaus findet sich eine große Zahl von Bearbeitungen, die mitunter durch die Formel „nach XY“ gekennzeichnet sind, sich aber oft auch stillschweigend bei Vorlagen bedienten. Wie bekannt, sind weite Teile des Wiener ‚Volkstheaters‘ (inklusive der Stücke von Johann Nestroy) nach französischen Vorbildern verfasst. Erinnert sei an dieser Stelle lediglich an I. F. Castelli und A. Kotzebue, die unermüdlich eigene Stücke, daneben aber ebenso zahlreiche Bearbeitungen produzierten.

Wallishausser deckte nicht nur das Sprech-, sondern auch das Musiktheater ab. Daher finden sich auch weite Teile des Wiener Opern- und Operettenrepertoires in seinem Programm. Haydn, Mozart oder Beethoven finden sich hier, aus dem französischen Musiktheater ragen G. Bizet und H. Berlioz heraus. Im Bereich der populären Oper begegnet man einer Reihe ausgesprochener Erfolgstitel, etwa den Opern D.-F.-E. Aubers und G. Meyerbeers. Um ein Beispiel zu geben: F. Halévys Oper La juive nach Eugène Scribes Libretto machte auf ihrer Erfolgstour durch Europa auch in Wien immer wieder halt. Trotz zahlreicher Konkurrenzausgaben in Wien (bei Pichler), Leipzig und Berlin weist Wallishaussers Verlagskatalog bis zum Ende des Jahrhunderts zumindest neun verschiedene Ausgaben bzw. Auflagen der Oper nach. Die niedrigen Preise beförderten zweifellos die Verbreitung, auch La juive kostete nur 20 kr.

Wallishausser geriet als Nachdrucker ins Gerede, wobei der Nachdruck vorgängiger, in deutschen Staaten erschienener Ausgaben eine in Österreich bis in die 1830er Jahre weit verbreitete Praxis darstellte. Ob bzw. inwiefern der Nachdruck auch die Übersetzungen französischer Dramatik betrifft, wäre noch zu untersuchen. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang, dass Wallishaussers Texte oft die auf den Wiener Bühnen tatsächlich gesprochenen Texte wiedergeben, was meist eigens auf den Titelblättern vermerkt ist und gegen Nachdruck spricht. Da sie die Spieltexte konservieren, sind Wallishaussers Dramendrucke nicht nur wichtige Medien des Kulturtransfers, sondern auch für Detailfragen der Theatergeschichte von Bedeutung.

Quellen und externe Links

Bibliografie

  • Frank, Peter R. und Frimmel, Johannes: Buchwesen in Wien 1750–1850. Kommentiertes Verzeichnis der Buchdrucker, Buchhändler und Verleger. Wiesbaden: Harrassowitz 2008.
  • Seemann, Otmar und Wallishauser, Martha: Die Verlagsbuchhandlung Johann Baptist Wallishausser, 1784-1964 (http://www.donjuanarchiv.at/seemann/wallishausser).
  • Vollständiges Verzeichniß von Theaterstücken aus dem Verlage von J.B. Wallishausser. Wien: J. B. Wallishausser’s k.k. Hoftheater-Buchdruckerei 1854.

Autor

Norbert Bachleitner

Onlinestellung: 01/02/2025