Suzanne Clauser

Aus decaf-de
Version vom 8. Oktober 2024, 07:14 Uhr von Solene (Diskussion | Beiträge) (Die Seite wurde neu angelegt: „Aus einer österreichisch-französischen Familie stammend, ist Suzanne Clauser (ps. Dominique Auclères, *16. 5. 1898 in Wien, † 11.9.1981 in Paris) in Frankreich unter dem Pseudonym Dominique Auclères als Übersetzerin und Journalistin bekannt geworden. Ihre literarische Vermittlertätigkeit ist eng mit dem Werk von Arthur Schnitzler verbunden, dessen Rezeption in Frankreich sie ab Ende der 1920-er Jahre entscheidend prägt. Ausser ihrer Rolle fü…“)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)

Aus einer österreichisch-französischen Familie stammend, ist Suzanne Clauser (ps. Dominique Auclères, *16. 5. 1898 in Wien, † 11.9.1981 in Paris) in Frankreich unter dem Pseudonym Dominique Auclères als Übersetzerin und Journalistin bekannt geworden. Ihre literarische Vermittlertätigkeit ist eng mit dem Werk von Arthur Schnitzler verbunden, dessen Rezeption in Frankreich sie ab Ende der 1920-er Jahre entscheidend prägt. Ausser ihrer Rolle für die französische Schnitzler-Rezeption ist Dominique Auclères vor allem als « grand reporter » der Tageszeitungen Le Journal und Le Figaro hervorgetreten, in denen sie sich als Spezialistin für Mitteleuropa und den Balkan etabliert hat. Ihre Erfahrungen als « grand reporter » und (aussen-)politische Journalistin hat sie in Mes quatre vérités, Vent du large, 1948, und in Mes fenêtres sur l’Histoire, Plon, 1978, verarbeitet. Ausserdem hat sie veröffentlicht: Anastasia, qui êtes-vous ?, Hachette, 1962, eine « Docu-fiction » über Anastasia, eine Tochter von Zar Nikolaus II, sowie zwei Bücher zur Habsburger-Dynastie : Les Enfants de Toscane, Presses de la Cité, 1969 (gemeint sind die Kinder des Großherzogs von Toskana, Ferdinand IV Salvator, 1835–1908), und Soleil d’exil : le bannissement des Habsbourg, Presses de la Cité, 1974.

Biografie

Clauser gehört nicht zum Kreis der professionnellen Übersetzer*innen. Als Tochter des austro-französischen Bankiers Wilhelm Adler ist sie zweisprachig aufgewachsen, mit dem Bankbeamten Friedrich Clauser verheiratet und Mutter von zwei Kindern, als sie im November 1928 Arthur Schnitzler ihre französische Übersetzung seiner Novelle « Blumen » vorlegt. Damit beginnt eine enge Zusammenarbeit und wohl auch eine intime Beziehung, die die letzten drei Lebensjahre des Schriftstellers prägen. (Clauser gilt als « letzte Liebe » Schnitzlers.)

Offenbar vom sprachlichen Talent Clausers überzeugt und in der Hoffnung, dass die geschäftlichen Beziehungen ihres Schwagers in Paris es ermöglichen, die stockende Veröffentlichung seiner Werke in Frankreich wieder in Schwung zu bringen, beendet Schnitzler seine Zusammenarbeit mit anderen Übersetzern (Alzir Hella, Maurice Rémon), überträgt ihr die Rechte für alle weiteren Übersetzungen ins Französische und schließlich im März 1931, in einem Nachtrag zu seinem Testament, die alleinige Verfügung über alle Publikationen in französischer Sprache.

Clausers Tätigkeit für die Verbreitung von Schnitzlers Werk in Frankreich erstreckt sich auf drei Bereiche: die Übersetzungen, die Kontakte mit Readakteuren von Zeitungen und Zeitschriften sowie mit Verlegern und, schließlich, das Verfassen von Vorworten und Artikeln, die die Veröffentlichung seines Werks begleiten und die Rezeption beeinflussen.

Tatsächlich wird dank der Tätigkeit Clausers die Präsenz von Texten Schnitzlers in Frankreich stärker. So erscheint gleich 1929 in der nationalistisch eingestellten Wochenschrift Gringoire[1], deren Literaturteil vom namhaften Romancier Joseph Kessel[2] geleitet wird, eine Reihe von Erzählungen und Novellen, die dann noch im selben Jahr als Novellenband La Pénombre des âmes im Verlag Stock, mit einem Vorwort des Germanisten Félix Bertaux[3], herauskommen. Insgesamt veröffentlicht Gringoire zwischen 1929 und Schnitzlers Tod 1931 zehn Texte des Schriftstellers, sechs weitere bis 1939. Auch in den Zeitschriften Candide, Revue hebdomadaire, Revue de France und Revue d’Allemagne erscheinen auf Betreiben Clausers Arbeiten von Schnitzler. Dazu kommen noch die Novellenbände La Pénombre des âmes (1929), L’Appel des ténèbres (1932, mit einem Vorwort von Paul Géraldy) und Mademoiselle Else (1932, mit der von Clara Katharina Pollaczek[4] übersetzten Titelnovelle und den von Clauser übersetzten Erzählungen aus dem Band La Pénombre des âmes) bei Stock[5], sowie der Roman Thérèse. Chronique d’une vie de femme mit einem Vorwort von Louis Gillet[6] 1931 bei Albin Michel.

Im Bereich des Theaters bearbeitet Clauser die 1912 von Maurice Rémon[7] und Wilhelm Bauer bei Stock veröffentlichte Reigen-Übersetzung für die Inszenierung von Georges Pitoëff 1932, wobei Clausers Vollmacht für die « französischen Angelegenheiten » es erlaubt, das von Schnitzler verfügte Aufführungsverbot des Reigen zu umgehen. Mit André Mauprey[8], dem Dramaturgen des Odéon-Theater, fertigt Clauser eine Übersetzung von Das weite Land an, die als Tapuskript vorliegt; trotz eines im Frühjahr 1931 (also noch zu Lebzeiten Schnitzlers) geschlossenen Vorvertrags kommt die für die Spielzeit 1931/32 vorgesehene Inszenierung aber nicht zustande.

Die Wiederveröffentlichung am 15. August 1930 in der Revue d’Allemagne des bereits im November 1912 in der Revue bleue erschienenen Einakters Les derniers masques aus dem Zyklus Lebendige Stunden (1901–1902, Heures vives), in der von Clauser überarbeiteten Übersetzung von Maurice Rémon, ist Anlass für den ersten umfangreichen Artikel Clausers zum Werk Schnitzlers in derselben Nummer dieser Zeitschrift. Der logischerweise das dramatische Werk in den Vordergund stellende Essai lässt das erzählende Werk nicht unbeachtet und ist bestrebt, den diversen Facetten von Schnitzlers Werk gerecht zu werden. Clauser verfasst auch den Nachruf in der Revue d’Allemagne vom 15. Dezember 1931 und zeichnet für eine Arthur-Schnitzler-Gedenknummer derselben Zeitschrift (15. Mai 1932) verantwortlich; diese enthält von Clauser übersetzte Beiträge von Franz Werfel, Stefan Zweig, Alfred Kerr[9], Felix Salten und Raoul Auernheimer, sowie von Marcel Dunan und Louis Gillet und Auszüge aus einem zum jeweiligen Artikel passenden Werk Schnitzlers.

Nach Schnitzlers Tod und, vor allem, nach dem Zweiten Weltkrieg widmet sich Clauser – nun unter dem Namen Dominique Auclères – zunehmend fast ausschließlich ihrer journalistischen Laufbahn. Abgesehen von der Veröffentlichung 1953, in einem Band mit dem Titel Dernières cartes, von Spiel im Morgengrauen [1927] und Traumnovelle |1926](Rien qu'un rêve), kehrt Clauser erst in den 1970-er Jahren wieder zum Werk Schnitzlers zurück und besorgt eine Reihe von Überarbeitungen und Neuausgaben ihrer Übersetzungen, nachdem sie in den Sechzigerjahren Erich Maria Remarque übersetzt hat: Le ciel n’a pas de préférés [Der Himmel kennt keine Günstlinge, Presses de la Cité 1962], La nuit de Lisbonne, Plon 1963, sowie Michael Solokow, Sosnowski, l’espion de Berlin, Presses de la Cité 1961, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi, Europe, puissance mondiale [Weltmacht Europa, Stock 1972] und, zusammen mit Michel Brottier, Albert Speers Spandauer Tagebücher unter dem Titel Journal de Spandau, Robert Laffont 1975 (neuaufgelegt, mit einem Vorwort von François Kersaudy[10] bei « Pluriel », 2018).

Clausers Übersetzungen der Werke Schnitzlers sind ganz klar zielsprachenorientiert und haben wohl auch dazu beigetragen, dass Schnitzler von der französischen Presse oft als « Maupassant autrichien / viennois » bezeichnet wird. Die akademische Literaturkritik hat Clausers Übersetzungen deshalb auch scharf kritisiert[11]. Schnitzler selbst, der des Französischen durchaus mächtig war, hat sie hingegen goutiert, wie mehrere Briefe nicht nur an Clauser, sondern z.B. auch an Louis Gillet, den Autor des Vorwortes zu Clausers Therese-Übersetzung, belegen.

Da Clauser verfügt hat, dass nach ihrem Tod ihre Vollmacht über die « französischen Angelegenheiten » an Schnitzlers Sohn zurückzugeben ist, sind nach 1981 Neuübersetzungen einiger seiner Werke entstanden, sodass ein Vergleich möglich ist. Die von Brigitte Vergne-Cain und Gérard Rudent besorgte zweibändige Ausgabe des erzählerischen Werks (A. S.: Romans et Nouvelles I und II, Le livre de poche – « La Pochothèque » 1994 und 1996) enthält diese Neuübersetzungen, aber auch noch – zum Teil überarbeitete – Übersetzungen von Clauser-Auclères.

Quellen und externe Links

Bibliografie

  • Dangel, Elsbeth: Das Elend der Übersetzug. Bemerkungen zu Dominique Auclères Schnitzlerübersetzugen. In: Modern Austrian Literature 17 (1984), Nr. 1, S. 79–57.
  • Hetzel, Florence: Schnitzler in Frankreich. Übersetzungen und Aufführungen des Reigen. In: Gregor Kokorz (Hg.): Übergänge und Verflechtungen: kulturelle Transfers in Europa. Wien [u.a.]: P. Lang 2004, S. 203–224.
  • Wagner, Renate: « Unsere geschäftlich-literarischen Beziehungen ». Arthur Schnitzler und Suzanne Clauser. In: Neue Zürcher Zeitung (17. März 1989), S. 41–42.
  • Zieger, Karl: Arthur Schnitzler et la France 1894-1938. Enquête sur une réception. Villeneuve d’Ascq: Presses universitaires du Septentrion 2012.

Autor

Karl Zieger

Onlinestellung: 08/10/2024