Friedrich Heer

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Friedrich Heer (1946)

Friedrich Heer wurde am 10. April 1916 in Wien geboren und starb am 18. September 1983 in seiner Heimatstadt. Er studierte Geschichte an der Universität Wien und dissertierte über ein Thema aus der mittelalterlichen Geschichte. Er war ein bedeutender Vermittler französischer Kultur.

Biografie

Obwohl Heer ein Gegner des Nationalsozialismus war, erlitt er nicht wirklich Verfolgung. Nach dem Kriegsdienst war er bis 1961 Journalist, vor allem Theaterkritiker, bei der katholischen Wiener Wochenzeitung Die Furche; von 1961 bis 1971 war er Dramaturg am Burgtheater. 1950 wurde er Privatdozent für Geistesgeschichte des Abendlands an der Universität Wien und hielt bis 1970 Vorlesungen. Dass er nie zum Ordinarius ernannt wurde, hat er der Universität nicht verziehen. Sehr bald war der ideenreiche Schnell- und Vielschreiber als Publizist omnipräsent, auch in Deutschland und der Schweiz, auch als Vortragender, auch in Rundfunk und Fernsehen, und nahm Stellung zu allen möglichen religiösen, gesellschaftlichen, historischen, literarischen Fragen. Heer, der seine Bindung an die katholische Kirche stets betonte, trat früh für eine Öffnung der Kirche ein und war eine Leitfigur des damals starken und vielgestaltigen Bildungskatholizismus der 40er, 50er und 60er Jahre.

Heer als Vermittler französischer Kultur

Vermittler französischer Kultur war Heer, der offenbar gut Französisch konnte, auf drei Ebenen. Als Theaterkritiker besprach er oft französische Stücke, die damals auf den Spielplänen standen: Dramen von u. a. Giraudoux[1], Anouilh[2], Claudel[3], Montherlant[4], Sartre, Camus. Nach dem Ausscheiden aus der Furche gehen die Beiträge über französische Literatur schnell zurück, doch vertraute eine Zeitung ihm 1976 den Nachruf auf André Malraux an und wurde er 1980 im Österreichischen Rundfunk zu einem Gespräch anlässlich des Todes von Sartre eingeladen, galt also als Kenner der französischen Gegenwartsliteratur.

In seinen sehr umfangreichen historisch-geistesgeschichtlichen Büchern, zumal in der Europäischen Geistesgeschichte von 1953, in der Dritten Kraft von 1959 und in Europa, Mutter der Revolutionen von 1964 würdigte er ausführlich und unter innovativen Gesichtspunkten große Gestalten der französischen Geistesgeschichte, etwa Calvin, Descartes, Pascal, Voltaire, Robespierre. Die später entstandenen großen und bedeutenden Bücher zu den Wurzeln des Antisemitismus und zur Entwicklung der österreichischen Identität haben dann keinen Raum mehr für einen Blick auf Frankreich.

Zu Heers monumentalen Büchern, die in deutschen Verlagen erschienen sind, wie auch zu vielen (häufig ebenfalls in Deutschland gedruckten) Aufsätzen ist anzumerken, dass sie sich nicht ausschließlich an ein österreichisches Publikum gerichtet haben.

Sehr viel stärker auf Österreich bezogen sind dagegen Heers Texte über Positionen der Kirche in Frankreich, die er auch zumeist für österreichische katholische Zeitungen (z. B. Die Furche) und Zeitschriften (z. B. Wort und Wahrheit) geschrieben hat. Schon 1946 erschien ein Aufsatz, „Lebendige Kirche (Zur geistig-religiösen Lage in Frankreich)“; 1954 schreibt er über die Arbeiterpriester, die ihn bis 1969 beschäftigen. Er rezensiert Bernanos[5] und Gabriel Marcel[6] (mit dem er sich besonders oft beschäftigt), verfasst zwischen 1959 und 1981 mehr als 10 Beiträge über Teilhard de Chardin, behandelt auffallend oft die Hl. Therese von Lisieux. Die Auseinandersetzung mit kirchlichen Themen und damit die Beschäftigung mit dem französischen Katholizismus geht ab etwa 1970 zurück – parallel zur sich verstärkenden Säkularisierung –, doch noch 1982 schreibt Heer für einen Sammelband einen Beitrag über Roger Schutz[7], den Gründer von Taizé.

Diese Vermittlung französischen katholischen Denkens ist wichtig. Denn einerseits war der renouveau catholique eine bedeutende, über die Literatur hinausreichende Strömung, andererseits hatte die Kirche in Österreich bis in die 70er Jahre großes Gewicht, auch im intellektuellen Leben. Heer wurde auch im katholischen Milieu Frankreichs rezipiert. So setzten sich 1950 französische katholische Blätter mit seinem Gespräch der Feinde (1949) auseinander, in La vie intellectuelle erschien schon 1951 eine Rezension seines Romans Der achte Tag (der später auch übersetzt worden ist), 1958 hielt er einen Vortrag im damaligen Pariser Institut autrichien, den Gabriel Marcel einleitete, 1961 wurde unter dem Titel Catholicité d’hier et de demain in Paris eine Heer-Übersetzung veröffentlicht (Paris: SPES, coll. „Christianisme contemporain“).

Quellen und externe Links

Bibliografie

Autor

Sigurd Paul Scheichl

Onlinestellung: 09/12/2024