Johann Trattner

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Johann Thomas Trattner

Johann Thomas von Trattners (* 20. Dezember 1719, Jormannsdorf, Ungarn [heute: Bad Tatzmannsdorf, Österreich], † 31. Juli 1798, Wien) Verlagsimperium gehörte zu den größten europäischen Buchhandelsunternehmen des 18. Jahrhunderts. Seine umfangreiche Buchproduktion umfasste nicht nur preiswerte Nachdrucke von populären deutschsprachigen Dichtern der Frühaufklärung wie Christian Fürchtegott Gellert, Johann Wilhelm Ludwig Gleim oder Salomon Gessner, sondern auch eine große Zahl von Originalwerken in vielen Sprachen sowie zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften. Mit über 400 auf Französisch gedruckten Werken und vielen Übersetzungen nahm der Hofbuchdrucker zur Regierungszeit Maria Theresias auch eine zentrale Rolle als Vermittler französischer Kultur ein.

Beruflicher Werdegang und sozialer Aufstieg

Geboren bzw. getauft wurde Johann Thomas Trattner am 20.12.1719 in Jormannsdorf in Ungarn (heute Bad Tatzmannsdorf, Österreich). Er war früh verwaist und wuchs in Wiener Neustadt auf, wo er bis 1735 eine Lehre bei dem Buchdrucker Samuel Müller absolvierte. Seit 1739 arbeitete Trattner als Drucker und Setzer bei dem Hofbuchdrucker Johann Peter van Ghelen[1]; 1748 erwarb Trattner die Druckerei von Johann Jakob Jahn und wurde im folgenden Jahr als Universitätsbuchdrucker immatrikuliert. 1750 heiratete er die Reichshofagentenwitwe Maria Anna von Retzenheim, 1752 wurde Trattner zum Hofbuchdrucker ernannt und 1759 übersiedelte die Firma in den so genannten „Typographischen Palast“, in dem sich eine große Druckerei, eine Buchbinderei, eine Schriftgießerei und eine Kupferdruckerei befanden. Insgesamt sollen dort über 200 Personen beschäftigt gewesen sein. 1764 wurde Trattner geadelt, im gleichen Jahr reiste er nach Deutschland, Belgien, Holland, Frankreich und England, 1783 nach Siebenbürgen und Ungarn. 1773 ließ der Hofbuchdrucker mit kaiserlicher Unterstützung am Graben den Trattnerhof erbauen, der als prächtigstes Zinshaus von Wien galt. 1776 heiratete Trattner seine zweite Frau Maria Theresia Nagel, Tochter des Hofmathematikers Joseph Anton Nagel[2]. Johann Thomas von Trattner starb am 31.7.1798 im Trattnerhof in Wien. Er betrieb unter anderem eine Leihbibliothek in Wien und eine große Papiermühle in Ebergassing/Niederösterreich und hatte Filialen und Bücherniederlagen in zahlreichen Städten der Habsburgermonarchie, darunter Agram, Brünn, Graz, Innsbruck, Linz, Pest, Prag und Triest. Trattners Enkels und Erbe Johann Thomas verkaufte die Buchdruckerei 1805 an Georg Ueberreuter[3].

Trattner und Frankreich

Der Höhepunkt von Trattners französischsprachiger Produktion fällt in die Zeit der politischen Umorientierung der Habsburgermonarchie unter Maria Theresia und ihrem Staatskanzler Kaunitz[4], die als sogenanntes renversement des alliances bekannte Annäherung an Frankreich im Vorfeld des Siebenjährigen Krieges. Im Jahr 1756 publizierte Trattner auch bereits den ersten einer Vielzahl von Katalogen mit bei ihm erhältlichen französischen Büchern. Trattner druckte und verlegte zu dieser Zeit französische Titel im Bereich der Politik und Diplomatie, darunter findet sich zum Beispiel der österreichisch-französische Bündnisvertrag von 1755, die Zeitschrift L’observateur hollandois von Jacques Nicolas Moreau[5] und Mémoire historique sur la négotiation de la France et de l’Angleterre von Étienne François duc de Choiseul[6]. Dank zahlreicher Druckprivilegien war Trattners Unternehmen auch der bedeutendste Kalender- und Almanachverlag der Habsburgermonarchie, unter anderem erschien dort der Almanac de la Cour impériale et royale (1766–1805). Vor allem aber druckte Trattner eine Vielzahl an religiöser Erbauungsliteratur in französischer Sprache (u.a. von Jean Crasset[7], Nicholas Dusault, Hugues Moret, Jacques Coret[8], Louis Grenade[9], Denis-Xavier Clément[10], Jean Baptist Avrillon[11] sowie in Übersetzung Jacques-Benigne Bossuet[12]). Dazu kamen wissenschaftliche Werke auf Französisch: historische und geographische Schriften von Louis Sébastien Jacquet de Malzet[13], Werke des Numismatikers Valentin Jameray, des Astronomen Nicolas-Louis de Lacaille[14], der Ärzte Samuel-Auguste Tissot[15] und Adam Chenot[16], des Philosophen und Theologen Jean Henri Samuel Formey[17] und vieler anderer. Mehrere Nachdrucke erschienen von Jean Georges Noverres[18] epochemachenden Lettres sur la danse et sur les ballets. Zu erwähnen sind auch die zahlreichen französischen Grammatiken, die Trattner nachdruckte, etwa Jean Robert des Pepliers[19] Nouvelle et parfaite grammaire royale françoise (1764, 1777, 1782, 1795).

Der Druck literarischer Werke hatte unter den Bedingungen der strengen von Maria Theresia eingeführten Zensurkommission einen schweren Stand. Dennoch erschienen etliche Werke der französischen Aufklärer bei Trattner in der Originalsprache – bei der man als Fremdsprache und Sprache des Adels und der Gebildeten wenig Breitenwirksamkeit zu befürchten hatte. Unangefochten an der Spitze der französischen Autor:innen in Trattners Verlag stand allerdings Marie le Prince Beaumont[20]. Von ihren Werken wie Magazin des jeunes dames, Magazin des enfants, Magazin des adolescents erschienen bis in die 1780er Jahre zahlreiche Ausgaben, zunächst auf Französisch, später vor allem in Übersetzungen. Trattner veröffentlichte im Bereich der Jugendliteratur auch eine Ausgabe von La Fontaines[21] Fables und druckte Joseph Anton von Ehrenreichs[22] Bearbeitung von Fénelons[23] Télemaque nach.

An französischer erzählender Literatur erschien unter anderem Voltaires berühmte Erzählung Zadig (in der Übersetzung von Mylius[24], 1786). Von der heute als Vordenkerin des Feminismus anerkannten Madeleine de Puissieux[25] druckte Trattner ein Jahr nach der Berliner Ausgabe ihren Roman L’éducation du Marquis de *** ou Mémoires de la Comtesse de Zurlac (1759). Besonders nachgefragt war offenbar Marmontels[26] Belisaire, der 1769 auf Französisch sowie in vier deutschen Ausgaben gedruckt wurde. Von Alexander Pope[27] kam 1761 eine siebenbändige Ausgabe in französischer Sprache mit einem von Mansfeld gestochenen Porträt des Dichters heraus.

Den Schwerpunkt bei der französischen Literatur machten Theaterstücke aus. Von Racine erschien Iphigénie (1770), von Voltaire Adélaïde du Guesclin (1768) und Olympie (1769), von Diderot seine bürgerlichen Rührstücke Le père de famille (1768) und Le fils naturel (1771). Bereits zuvor hatte Trattner Lessings Übersetzungen der beiden Stücke in zwei Bänden nachgedruckt (1766–1770). Während eine Aufführung von Beaumarchais’[28] Figaro bekanntlich von der österreichischen Zensur verboten wurde, druckte Trattner dessen drame sérieux Eugénie bereits 1768. Weitere bekannte Dramatiker in Trattners Verlag waren Marivaux[29] (Les sincères, 1770) und Philippe Néricault Destouches[30] (Le philosophe marié, 1768; Le glorieux, 1769; Le médisant, 1769), dazu kamen unter anderem die Theaterautoren Charles Pierre Colaredau[31], Nivelle de la Chaussée[32], Nicholas Chamfort[33], Michel-Jean Sedaine[34], Poullain de Fox und Charles Simon Favart[35]. In Trattners Verlag erschienen auch zahlreiche Libretti, einige davon auf Französisch, beispielsweise L’arbre enchanté ou le tuteur dupé von Gluck/Moline (1759), oder die französische Ausgabe von Orfeo ed Euridice von Gluck/Calzabigi (1770).

Maria Theresias Sohn und Nachfolger Joseph II. liberalisierte ab 1781 das Buchgewerbe, in der Folge wuchs die Zahl der Verlage in Wien stark an, und 1783 entstand mit der Firma der Brüder Gay eine auf französische Literatur spezialisierte Verlagsbuchhandlung, die umfangreiche Sortimentskataloge herausgab. Trattners Druckerei verlor durch den Verlust vieler Privilegien nun deutlich an Bedeutung und Produktivität. Auch französische Literatur in Originalsprache findet sich nun nur noch vereinzelt, es dominieren seit den ausgehenden 1770er Jahren die allerdings auch nicht mehr sehr zahlreichen Übersetzungen aus dem Französischen.

Quellen und externe Links

Bibliografie

  • Augustynowicz, Christoph, Johannes Frimmel (Hg.): Der Buchdrucker Maria Theresias. Johann Thomas von Trattner (1719–1798) und sein Medienimperium. Wiesbaden: Harrassowitz 2019.
  • Frimmel, Johannes: Johann Thomas Trattner – ein transnationaler Buchdrucker des 18. Jahrhunderts. In: Thomas Bremer (Hg.): Vernunft, Religionskritik, Volksglauben in der Aufklärung. Wissenszirkulation und Öffentlichkeit in den deutschsprachigen Gebieten. Halle-Wittenberg: Universitätsverlag 2013, S. 205–218.
  • Giese, Ursula: Johann Thomas Edler von Trattner. Seine Bedeutung als Buchdrucker, Buchhändler und Herausgeber. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 3 (1961), Sp. 1013–1454.
  • Oravetz, Vera: Les Impressions françaises de Vienne (1567–1850). Szeged/Paris: Presses Universitaires de France 1930.
  • Oravetz, Vera: Supplément à la Bibliographie des impressions françaises de Vienne 1521–1850. Wien: Institut français de Vienne 1934.

Autor

Johannes Frimmel

Onlinestellung: 09/12/2024