Joseph Laudes

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Joseph Laudes (1742–1793) war ein reger Übersetzer von Dramen, dessen Werk eine Reihe von Übertragungen aus dem Französischen umfasste. Seine Übersetzungstexte aus den 1760er und 1770er Jahren gelangten vornehmlich auf den Wiener Hofbühnen zur Aufführung.

Biografie

Laudes’ Übersetzungstätigkeit fällt in den Zeitraum, in denen sich das ‚regelmäßige‘ Drama auf den Bühnen der Monarchie durchsetzte. Die sogenannte Wiener Theaterreform, die eng mit dem Namen Joseph von Sonnenfels verknüpft ist, trachtete das Theater in eine ,sozialpädagogische Anstalt[1]‘ umzuwandeln. Statt rüder Aktionen und derber Scherze waren fortan empfindsame und tugendhafte Charaktere gefragt; psychologisch plausible Handlungen sollten in einer dem alltäglichen Sprachgebrauch nahen Bühnensprache vermittelt werden; Prosa sollte die bis dahin beliebten Verse ablösen, um die Identifikation des Publikums mit den Figuren zu erleichtern[2]. Als dominante Dramenform etablierte sich die comédie larmoyante.

Der Mangel an Stücken, die diesem Konzept entsprachen, förderte den übersetzerischen Transfer geeigneter Dramen nach Österreich. Die zum Teil widersprüchlichen ästhetischen, politischen und moral-didaktischen Vorgaben stellten kontextuelle Zwänge dar, denen sowohl die Verfasser:innen von Originaldramen als auch die Übersetzenden unterworfen waren. In besonderem Maß galt dies für Laudes’ Theatertexte, denn sie orientierten sich an den Gepflogenheiten auf den Wiener Hofbühnen, die als Vorbild für den Theaterbetrieb der gesamten Monarchie galten. Die Erstausgaben der übersetzten Stücke (bei den Wiener Verlagen Kraus und Van Ghelen) wiesen häufig auf die Premieren an den beiden Wiener Hoftheatern (Burgtheater und Theater am Kärntnertor) hin; statt einer Verlagsangabe findet sich immer wieder der Hinweis „zu finden beim Logenmeister“, das heißt beim Billeteur. Da die Zuschauerräume im 18. Jahrhundert hell erleuchtet blieben, war ein Mitlesen während der Aufführung möglich. Die lokale Ausrichtung äußerte sich auch in der in den Texten verwendeten Sprache. Während die Theater in Wien, Prag und anderen Städten der Monarchie bezüglich des Repertoires eng miteinander verbunden waren, ist eine Wirkung in den Raum nördlich von München so gut wie auszuschließen.

Nach einem Studium der Philosophie und Jurisprudenz diente Laudes ab 1764 als Beamter bei der k. k. Hofkammer. Er unterhielt Beziehungen zu mächtigen Protagonisten im Wiener Theaterbetrieb wie Sonnenfels und Joseph Anton Stephan von Riegger, einem Mitbegründer der „Deutschen Gesellschaft“, die sich im Geist Gottscheds der Propagierung einer reinen hochdeutschen Sprache widmete und die Theaterreform unterstützte. Im Bestreben, Vorgesetzte und Entscheidungsträger zu hofieren, scheute Laudes sogar vor den Monarchen nicht zurück. Ein tugendhafter Gutsherr in Charles-Simon Favarts[3] Drama Die Schnitter erinnerte ihn an Joseph II.[4], im Vorwort seiner Übersetzung unterstellte er dem Verfasser, an den Kaiser als Vorbild für die Figur gedacht zu haben[5]. Es liegt auf der Hand, dass er sich von seinen Übersetzungen die Vorrückung in der Beamtenhierarchie versprach – 1774 wurde er immerhin zum wirklichen Konzipisten ernannt.

Neben einigen Stücken von Goldoni und Francesco Albergati Capacelli übersetzte Laudes Komödien von Louis de Boissy[6] (Le françois à LondresDer Franzoß in Wienn, 1775), Charles-Simon Favart (Les moissonneursDie Schnitter, oder das Glück der Unterthanen, 1768) und Antoine de Ferriol de Pont-de-Vesle[7] (Le fat puni – 'Der bestrafte Geck, 1766); ferner Rousseaus lyrisches Drama PygmalionPygmalion (1772) und Voltaires Komödie L’échange, ou Quand est-ce qu’on me marie? - Die Verwechselung, oder Wenn wird man mich verheurathen?, 1764)[8].

In Voltaires Verwechslungkomödie fädelt ein eitler Comte über einen Heiratsvermittler die Hochzeit mit einer reichen Erbin ein, da er dem Agenten aber zu wenig Beteiligung am ,Gewinn‘ zugesteht, führt der Vermittler erfolgreich den jüngeren Bruder, einen Chevalier, als Bräutigam ein. Die Handlung transportiert bürgerliche Ideologie: übermäßiger Reichtum wird angeprangert, weil er die Moral und die Fähigkeit zur Empathie schwächt; die Erstgeborenen genießen Privilegien, die ihnen nicht zustehen, es sollte vielmehr Chancengleichheit herrschen, zumal der jüngere Sohn, ein Chevalier, als Soldat Verdienste um die Allgemeinheit gesammelt hat und sich durch Ehrenhaftigkeit und Großmut auszeichnet. Am Ende wirkt der Großmut ansteckend, der Comte und der bis dahin starrsinnige Schwiegervater vollziehen einen Gesinnungswandel und überlassen die Braut samt ihres Reichtums dem Bruder, der sich als zärtlicher Liebhaber erweist. Die rührende Wandlung zum Guten sichert den Figuren die Zustimmung des Publikums.

Entgegen der zu dieser Zeit üblichen Einbürgerung der Schauplätze und Charaktere, die im Sinn der Theaterreform die Identifikation des Publikums unterstützen sollte, behält Laudes in L’échange das französische Kolorit bei. Ferner übernimmt er zahlreiche französische Wörter und Redewendungen, so z. B. die Lieblingsredensart des Comte „foi de Seigneur“. Das Französische markiert hier klar die höfische Kälte und Glätte, die empfindsamen Charaktere enthalten sich solcher fremdsprachlicher Floskeln. Das Gebot natürlicher und alltäglicher Dialoge befolgt Laudes anhand der nicht-aristokratischen Figuren, so äußert sich der Schwiegervater, der einen bäurischen Krieger verkörpert, geradezu derb. Seine Tochter fährt er mit „Halts Maul[9]“ an (bei Voltaire 1761, S. 35: „Tais-toi“), gelegentlich lässt er sich zu regelrechten Fluchkanonaden hinreißen:

Ach beym Herkules! das scheint ein wackerer Ritter zu seyn, beym Wetter! Herr Graf meine Tochter wird glücklich seyn. Zum Henker geben sie mir ihre Hand, ich bin ihr Schwiegervater, und ihr Freund. Bey Pulver und Bley, sie haben die Physionomie eines rechtschaffenen Mannes[10].

Par Henry quatre, voila un gentil-homme tout à fait de mise, têtebleu Mr. le Comte, Gotton sera heureuse, corbleu touchés-là je suis vôtre beau père & votre ami, Parbleu vous avés la phisionomie d’un honnête homme.[11]

Auch die Tochter drückt sich moderat-bodenständig aus, gelegentlich kommt ihr sogar ein wienerisch-süddeutscher Ausdruck wie der Diminutiv „Puderl[12]“ über die Lippen. Die offenbar nötige rasche Arbeit, über die sich Laudes in Vorworten beklagte, treibt mitunter seltsame Stilblüten hervor, etwa ungelenke Sätze wie „Ein hochmüthiger Narr, der ganz von dieser Eitelkeit zusammengesetzt ist, die das Antheil der Thoren ist.[13]“ („Un suffisant pétri de cette vanité qui n’est que le partage des sots.[14]“) Auch finden sich so manche Flüchtigkeitsfehler in seinem Text. Wenn der Majoratsherr dem jüngeren Bruder vorwirft, dass Natur „est un beau mot inventé par les pauvres cadets ruinés pour émouvoir la pitié des ainés[15]“, so schreibt Laudes: „das ist ein Lieblingswort armer ruinierter Cadetten[16]“. Der Jüngere hat in der Armee gedient, aber der Übersetzer sitzt einem ,falschen Freund‘ auf, da hier eindeutig nicht vom Militär, sondern vom Dasein als Zweitgeborener die Rede ist.

Quellen und externe Links

  1. Haider-Pregler 1984, S. 90f.
  2. vgl. Haider-Pregler 1983 und 1984
  3. https://www.universalis.fr/encyclopedie/charles-simon-favart/
  4. https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Joseph_II.
  5. Favart 1768, unpag.
  6. https://www.academie-francaise.fr/les-immortels/louis-de-boissy
  7. https://data.bnf.fr/fr/12349869/antoine_de_feriol_pont-de-veyle/
  8. vgl. die Auflistung von Laudes’ Übersetzungen in Bachleitner 2020, S. 34–36
  9. Voltaire 1764, S. 33
  10. Voltaire 1764, S. 25
  11. Voltaire 1761, S. 26
  12. Voltaire 1764, S. 27
  13. Voltaire 1764, S. 19
  14. Voltaire 1761, S. 20
  15. Voltaire 1761, S. 15
  16. Voltaire 1764, S. 15

Bibliografie

  • Bachleitner, Norbert: Übersetzen nach Vorgaben. Joseph Laudes’ (französische) Komödien-Übertragungen für die Wiener Hofbühnen in den 1760er und 1770er Jahren. In: Irène Cagneau, Sylvie Grimm-Hamen und Marc Lacheny (Hg.): Les traducteurs, passeurs culturels entre la France et l’Autriche. Berlin: Frank & Timme 2020, S. 15–34.
  • Favart, Charles-Simon: Die Schnitter, oder das Glück der Unterthanen. Ein Lustspiel nach dem Französischen von J. G. Laudes. Wien, gedruckt mit von Gehlischen Schriften 1768.
  • Haider-Pregler, Hilde: Der Wienerische Weg zur k. k. Hof- und Nationalschaubühne. In: Roger Bauer und Jürgen Wertheimer (Hg.): Das Ende des Stegreifspiels – Die Geburt des Nationaltheaters. Ein Wendepunkt in der Geschichte des europäischen Dramas. München: Fink 1983, S. 24–37.
  • Haider-Pregler, Hilde: Wiener Komödienreform zwischen Tabu und Konzession: Zur sittlichen Programmatik des Lachens. In: Maske und Kothurn 30 (1984), H. 1, S. 87–102.
  • Voltaire: L’échange, ou quand est-ce qu’on me marie? Comédie en deux actes. Vienne en Autriche, Dans l’Imprimerie de Ghelen 1761.
  • Voltaire: Die Verwechselung, oder Wenn wird man mich verheurathen? Ein Lustspiel von zwey Aufzügen. Aus dem Französischen übersetzt. Nebst einem Vorspiele. Wien, Zu finden in dem Kraußischen Buchladen nächst der K. K. Burg 1764.

Autor

Norbert Bachleitner

Onlinestellung: 03/10/2024