Therese Megerle

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Die österreichische Schriftstellerin und Theaterautorin Therese Megerle (geb. Pop zu Popenburg, Pseudonym: Leo Mai, L. May, * 12. Mai 1813, Preßburg / Bratislava, † 1. Juli 1865, Wien) ist, neben einigen wenigen eigenen Theaterstücken, vor allem durch zahlreiche Übersetzungen, Bearbeitungen und Dramenadaptionen französischer und englischer Werke auf den deutschsprachigen Bühnen als Vermittlerin relevant.

Biografie

Über die Kindheit von Therese Pop zu Popenburg oder Popp ist wenig bekannt, nur dass sie offenbar eine gute Erziehung genossen hat und dadurch neben umfangreichen Geschichtskenntnissen über beträchtliche sprachliche Fertigkeiten in Französisch, Ungarisch und Englisch verfügte. Im Alter von 16 Jahren heiratete sie den um elf Jahre älteren Georg Wilhelm Megerle[1] (1802–1854). Der in Preßburg tätige Zahnarzt und Chirurg gab in den 1840er Jahren seine Praxis auf und leitete ab 1844 das Preßburger Theater[2], ab 1845 zusätzlich das städtische Theater in Raab/Györ. Das Ehepaar hatte zwei Söhne, Alfred Megerle (1833– nach 1871) und Julius Megerle[3] (1837–1890), die beide ebenfalls in kulturellen Bereichen tätig waren. Therese startete ihre schriftstellerische Laufbahn als Mitarbeiterin von L. A. Frankls Sonntagsblättern. Ihre darin publizierten Erzählungen und Novellen wurden 1844 auch als dreibändige Sammlung in Preßburg bei Schaiba, im Folgejahr noch einmal in Leipzig bei Engelmann veröffentlicht. Die insgesamt dreizehn Werke auf rund 500 Druckseiten wurden teilweise zusätzlich in einschlägigen Unterhaltungsblättern abgedruckt und brachten Megerle den Beinamen „Preßburger Pichler“, eine Reminiszenz an die 1843 verstorbene österreichische Schriftstellerin Caroline Pichler (1769–1843) ein.

Für die Vorstellungseröffnung der Direktion ihres Mannes am Preßburger Theater wurde zudem eine Adaption ihrer Novelle Die Hexe von Inverness gegeben. 1849 nahm ihr Mann den adeligen Namenszusatz „von Mühlfeld“ in Vortäuschung einer Verwandtschaft zu Johann Karl Megerle von Mühlfeld[4] an, ehe die Familie 1850 nach Wien zog. Dort hatte Thereses Gatte das Josefstädter Theater[5] und zur gleichen Zeit die Pacht für die Hernalser Arena übernommen. Als eine der ersten Aufführungen unter der Direktion ihres Mannes kam ihre Bearbeitung von Dumas’ Der Graf von Monte Christo im Juni 1850 im Theater an der Josefstadt zur Aufführung. Wurde sie bereits anlässlich der Erstaufführung im August 1847 am Preßburger Theater als „eine werdende gefährliche Nebenbuhlerin der Birch-Pfeiffer[6]“tituliert,[7] findet ihre Bearbeitung des französischen Romans auch in der Wiener Theaterwelt durchaus Gefallen – „die Bearbeiterin hat es nicht daran fehlen lassen, uns gerade jene Momente zu schildern, die den meisten dramatischen Fond haben“[8]. Die Direktionszeit ihres Mannes Georg Megerle in Wien währte jedoch nicht lange. Nach nur vier Jahren musste er die Direktion aufgrund finanzieller Engpässe zurücklegen, kam wegen des Verdachts leichtfertig Schulden gemacht zu haben in den Schuldenarrest und verstarb am 3. August 1855 völlig verarmt. Therese Megerle steigerte in Folge ihre Übersetzungs- und Bearbeitungstätigkeit und wurde zu einer der Hauptautorinnen des Josefstädter Theaters. Es folgten neben Bearbeitungen aus dem Englischen (z. B. Onkel Tom nach Harriet Beecher-Stowes[9] Roman Uncle Tom’s Cabin, or, Life Among the Lowly, Uraufführung am Theater in der Josefstadt am 19. Februar 1853) eine Vielzahl an Bearbeitungen französischer Prosavorlagen, die sie im Regelfall dramatisierte und in gekürzter Form für die Bühne bearbeitete. Mit ihren stark am Publikumsgeschmack orientierten Bühnenstücken avancierte Megerle ab den 1860er Jahren zu einer der meistgespielten Autorinnen des Theaters in der Josefstadt. Ihre Bearbeitung Im Dorf nach einem Sujet von George Sand, am 5. Oktober 1858 uraufgeführt, zeichnet sich laut Kritik durch eine „effectvolle Handlung, eine äußerst geschickte und große Bühnenkenntniß verrathende Mache“ aus und besticht außerdem durch einen gut gestalteten natürlich wirkenden Dialog.[10]

Allerdings fand Megerles stetes Bemühen, französische und englische Vorlagen sehr effektheischend und bühnenwirksam zu bearbeiten bzw. zu verarbeiten, nicht immer eine solch günstige Aufnahme bei der zeitgenössischen Theaterkritik. Als im Mai 1863 ihre Bearbeitung Die Armen und Elenden nach Victor Hugos Les Misérables im Thalia-Theater in Szene gesetzt wurde, führte dies zu einem vernichtenden Urteil in den Blättern für Theater, Musik und Kunst. Einmal mehr wurde der Vergleich mit Caroline Pichler als „Gewerbsgenossin“ strapaziert, Megerle wurde als eine weitere „schreibselige Frau“ bezeichnet, deren „Romanfricassiren“ „an’s Cannibalische“ grenze.[11]

Therese Megerle verstarb am 1. Juli 1865. An ihrem Begräbnis am Hernalser Friedhof nahmen nur die engste Familie und eine kleine Zahl an Kolleginnen und Kollegen aus der Wiener Theaterwelt teil, da ihr Ableben erst nach der Beisetzung bekannt wurde. In den mit Verspätung erfolgten zahlreichen, aber kurzen Nachrufen wurde mehrfach die bühnenwirksame und bühnengerechte Ausarbeitung ihrer Bearbeitungen genannt, ihre Schreibweise erneut mit Caroline Pichler verglichen und vielfach auf die für sie als Witwe bestehende Notwendigkeit des Übersetzens als Brotberuf hingewiesen, um ihr finanzielles Auslangen zu finden. Von den oft als „Alltagsware“[12] bezeichneten fast 100 Stücken aus der Feder von Therese Megerle wurden nur wenige gedruckt (hauptsächlich als Einzeldrucke in der Reihe Wiener Theater-Repertoir des Verlages Wallishausser), einige Manuskripte haben sich in der Handschriftensammlung der Wienbibliothek[13] erhalten.

Quellen und externe Links

Bibliografie

Primärliteratur

  • Megerle, Therese: Novellen und Erzählungen. 3 Bände. Leipzig u. Preßburg: Engelmann 1845.
  • Einzelne Stückabdrucke im Wiener Theater-Repertoire bei Wallishausser siehe https://www.wiener-theaterrepertoir.at/

Sekundärliteratur

  • Bauer, Anton: Das Theater in der Josefstadt zu Wien. Mit 160 Bildern. Wien, München: Manutiuspresse 1957.
  • Bauer, Anton / Kropatschek Gustav: 200 Jahre Theater in der Josefstadt 1788–1988. Wien, München: Schroll 1988.
  • Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich Online: Therese Megerle von Mühlfeld: https://de.wikisource.org/wiki/BLK%C3%96:Megerle_von_M%C3%BChlfeld,_Therese (abgerufen am 6. Oktober 2025).
  • Blätter für Theater, Musik und Kunst, 9. Jahrgang, Nr. 42 vom 27. Mai 1863, S. 166.
  • Blätter für Theater, Musik und Kunst, 11. Jahrgang, Nr. 54 v. 7. Juli 1865, S. 215.
  • Brümmer, Franz: Lexikon der deutschen Dichter u. Prosaisten vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart, Bd. 4. (6. Aufl.). Leipzig 1913, S. 414–415.
  • Buchegger, Birgit: Stiller Brotberuf oder subversive Rebellion? Österreichische Übersetzerinnen im 19. Jahrhundert. Eine Spurensuche. Dipl. Arb. Universität Graz 2002.
  • Drechsler-Meel, Heike: Megerle, Therese. In: Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen Online: https://kulturstiftung.org/biographien/megerle-therese (abgerufen am 6. Oktober 2025).
  • Fremden-Blatt, 19. Jahrgang, Nr. 184 v. 6. Juli 1865.
  • Glosíkova, Viera: „Megerle, Therese (Ps. Leo Mai)“. In: Viera Glosíkova: Handbuch der deutschsprachigen Schriftsteller aus dem Gebiet der Slowakei (17.–20. Jahrhundert). Wien: Verl. d. Österr. Akademie d. Wiss. 1995, S. 108–109.
  • Greußing, Astrid: Der ‚Wiener‘ Onkel Tom. Eine Dramenadaption aus translationswissenschaftlicher Sicht. Masterarbeit: Universität Wien 2016.
  • Großegger, Elisabeth: Mythos Prinz Eugen. Inszenierung und Gedächtnis. Wien, Köln, Weimar: Böhlau Verlag 2014.
  • Hans Jörgel von Gumpoldskirchen, 34. Jahrgang, 28. Heft v. 8. Juli 1865, S. 7.
  • Kord, Susanne: Ein Blick hinter die Kulissen: Deutschsprachige Dramatikerinnen im 18. und 19. Jahrhundert. Stuttgart: Metzler 1992 (= Ergebnisse der Frauenforschung, Bd. 27).
  • Marinelli, Gertraud: Oberungarn (Slowakei) in den Wiener Zeitschriften und Almanachen des Vormärz (1805–1848). Blicke auf eine Kulturlandschaft der Vormoderne. Versuch einer kritischen Bestandsaufnahme der Beiträge über die historische Region u. ihre kulturellen Verbindungen zu Wien. Wien: Verl. d. Österr. Akademie d. Wiss. 2004.
  • Meier, Jörg: Deutschsprachige Schriftstellerinnen des 18.–20. Jahrhunderts aus dem Gebiet der heutigen Slowakei. In: Petra Hörner (Hg.): Vergessene Literatur: ungenannte Themen deutscher Schriftstellerinnen. Frankfurt /M., Berlin, Bruxelles, New York, Oxford, Wien: Lang 2001, S. 241–262.
  • Müll, Elfriede: Die Familie Megerle und ihre Beziehungen zum Wiener Theater. Diss. (2 Bände) Wien 1949.
  • Salzburger Zeitung, Nr. 151 v. 6. Juli 1865.
  • Sonntagsblätter, 6. Jahrgang, Nr. 32 v. 8. August 1847, S. 400.
  • Stachel, B.: „Megerle Julius“ bzw. „Megerle Therese geb. Popp“. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Bd. 6 (1975), S. 190.
  • Wiener Theaterzeitung, 52. Jahrgang, Nr. 230 v. 7. Oktober 1858, S. 920.
  • Wiener allgemeine Theaterzeitung, 43. Jahrgang, Nr. 149 v. 25. Juni 1850, S. 595.
  • Wien Geschichte Wiki: Therese Megerle: https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Therese_Megerle (abgerufen am 6. Oktober 2025).

Autorin

Barbara Tumfart

Onlinestellung: 14/10/2025