Lilly von Sauter

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Lilly von Sauter

Lilly (von) Sauter, geborene Juliane Pleschner, (* 19. Juni 1913 in Wien, † 7. März 1972 in Schloss Ambras bei Innsbruck) war promovierte Kunsthistorikerin und vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zu ihrem Tod 1972 eine wichtige Persönlichkeit im Tiroler Kulturleben, deren Wirken besonders im Bereich der Kulturvermittlung von großer Bedeutung war.

Ausbildung und Werdegang

Lilly Sauter, geborene Juliane Pleschner, hat ihr Studium der Kunstgeschichte und Archäologie an der Universität Wien – nach Studienaufenthalten in London, Rom, Regensburg und Paris – 1936 mit einer Dissertation über „Die Tapisserien der 'Scuola nova'. Ein Beitrag zur Problematik der Raffael-Nachfolge“ abgeschlossen. Im selben Jahr heiratete sie den Tiroler Ingenieur Heinz von Sauter-Riedenegg und übersiedelte mit ihm nach Berlin. Während des Zweiten Weltkriegs ließ sich die Familie in Seefeld nieder, danach hatte sie ihren Wohnsitz in Seefeld und Innsbruck.

Schon in jungen Jahren hat Lilly Sauter-Pleschner ihr Interesse für die französische Kultur entdeckt und gepflegt und die französische Universitäts-Aufnahmsprüfung absolviert. 1932 verbrachte sie mehrere Wochen in Paris, wo ihr Onkel Alfred Grünberger[1] österreichischer Botschafter war. Dort ist sie mit dem österreichischen Künstler Oskar Kokoschka bekannt geworden und hat die französische Malerei der „klassischen Moderne“ entdeckt. Zu ihrem engen Freundeskreis (und späterem 'Netzwerk') gehört seit ihrer Studienzeit auch der namhafte Kunsthistoriker Ernst Gombrich[2].

In der Zeit von 1945-1955 hat die französische Besatzung in Tirol und Vorarlberg u.a. eine intensive Kulturarbeit betrieben, über die Lilly Sauter als Kunstkritikerin berichtet hat, ehe sie selbst, von 1950 bis 1958, als wissenschaftliche Mitarbeiterin des Französischen Kulturinstituts in Innsbruck aktiv in diesen Vermittlungsprozess eingebunden war. Maurice Besset, der Direktor des Instituts, hat sie damals als seine „Ausstellungsfachfrau“ bezeichnet. Ab 1950 war sie auch an der Organisation der 1947 ins Leben gerufenen Internationalen Hochschulwochen in St. Christoph am Arlberg und in Alpbach beteiligt, bei denen u.a. auch André Gide aufgetreten ist.

Kulturelle Vermitlertätigkeit

Ihre kulturelle Vermittlertätigkeit begann Lilly Sauter kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs als Kulturredakteurin der Tiroler Nachrichten (TN), Mitarbeiterin der Salzburger Nachrichten (SN), des Wiener Kurier und der christlichen Wochenzeitung Die Furche, sowie als Mitarbeiterin des „Österreichischen Rundfunks – Studio Tirol“.

Die kunstkritischen Arbeiten von Lilly Sauter lassen die Schwierigkeiten erkennen, nach dem Zweiten Weltkrieg besonders dem Tiroler Publikum zeitgenössische Kunst aus Frankreich näherzubringen: den Anfang machte sie anlässlich der Ausstellung Chefs-d'oeuvres du Musée d'art Moderne de Paris, mit der das Französische Kulturinstitut in Innsbruck im Juli 1946 eröffnet wurde und in der u.a. Werke von Matisse, Bonnard, Dufy und Léger zu sehen waren; im Gegensatz zur reservierten bis ablehnenden Reaktion der übrigen lokalen Presse, versuchte Sauter durch Informationen über den Kontext und die Entwicklung der „Klassischen Moderne“ das Publikum mit pädagogischem Einfühlungsvermögen an die Werke der bis dahin in Österreich noch nie ausgestellten Künstler heranzuführen. Gleiches gilt für die Ausstellung Wotruba – Léger – Matisse – Rouault im Mai 1950 anlässlich der Präsentation der vom Verlag der Zeitschrift Verve[3] diesen drei franzosischen Malern gewidmeten Kunstbücher im Institut Français. 51 Lithografien dieser Künstler wurden durch zehn Kleinplastiken des österreichischen Bildhauers Fritz Wotruba ergänzt. Diese Schau hatte damals in Innsbruck große Aufregung ausgelöst: von „Zeichnungen von Irrsingen[4]“ war die Rede, in der Kirche wurde gegen den Besuch der Ausstellung gepredigt und gegen Direktor Besset eine Klage wegen „Gefährdung der Sittlichkeit der Jugend“ eingereicht. Mit ihrem Artikel in den Tiroler Nachrichten (13. 5. 1950) versuchte Lilly Sauter, auch hier notwendige Aufklärungsarbeit zu leisten.

Ihre der modernen Kunst aufgeschlossenen Artikel in der Tagespresse dürften letztlich auch der Grund für ihre Anstellung am Französischen Kulturinstitut gewesen sein. In dieser Funktion hat sie die jungen einheimischen Talente erkannt und durch Ausstellungen (z. B. 1952 Franz Lettners während einer Tunesienreise entstandene Arbeiten), sowie durch die Vermittlung von Stipendien und Studienreisen gefördert. Ein Ergebnis dieser Tätigkeit war im November 1957 die Schau Reiseeindrücke Tiroler Künstler in Frankreich, in der Werke von Fritz Berger[5], Wilfried Kirschl, Eduard Klell[6], Franz Krautgasser[7], Friedbert Scharfetter, Franz Schunbach[8], Anton Tiefenthaler[9] und Max Weiler[10] zu sehen waren.

1961 hat Sauter die Sekretariatsgeschäfte für die internationale Ausstellung Europäische Kunst um 1400 im Kunsthistorischen Museum in Wien übernommen, 1962 wurde sie Kustodin der Sammlungen des Kunsthistorischen Museums auf Schloss Ambras; in dieser Funktion ist ihr u.a. die Wiederentdeckung der „Kunst- und Wunderkammer“ und die Einführung der Ambraser Schlosskonzerte zu verdanken.

1964 hat sie an der Ausstellung Vienne à Versailles in Paris mitgearbeitet, für ihre Leistungen im Sinne des österreichisch-französischen Kulturaustausches wurde sie im selben Jahr mit dem „Ordre des Arts et des Lettres“ ausgezeichnet.

Lilly Sauter, die Übersetzerin

In enger Verbindung mit Lilly Sauters Anliegen, zwischen den Kulturen zu vermitteln, steht ihre Tätigkeit als Übersetzerin. Zwischen 1946 und 1971 hat Sauter rund dreißig Bücher und zahlreiche Artikel aus dem Französischen und Englischen übersetzt.

So hat sie u.a. dem österreichischen (und deutschen) Publikum Werke von Louis Aragon[11], Honoré de Balzac[12], Paul Claudel[13], Romain Gary[14], André Gide, Joseph Kessel[15], François Mauriac[16], Charles Péguy[17] und Jacques Prévert[18] (wieder) zugänglich gemacht, aber auch Fachbücher (z. B. die bei Rowohlt erschienenen Bände über Jean-Paul Sartre, 1955, und über Antoine de Saint-Exupéry[19], 1956) und Biografisches (die Autobiografie von Le Corbusier und eine Monografie über Le Corbusier von Maurice Besset) übersetzt. Zwar hat sie keine Theorie der Übersetzung entwickelt, aber in ihrer Praxis war es niemals nur das „Was“, sondern immer auch das „Wie“ der unverwechselbaren sprachlichen Form einer Vorlage, das Lilly Sauter versucht hat, in der Übersetzung spürbar zu machen. Die meisten der von Lilly Sauter übersetzten Bücher sind in deutschen (nur wenige in österreichischen) Verlagen erschienen, für die sie auch als Lektorin und literarische Beraterin tätig war (zum Beispiel für die Münchner Verlage Piper und Desch). Wenn Sauters Übersetzungstätigkeit dennoch für die österreichische Rezeption französischer Literatur als relevant betrachtet werden kann, dann weil sie die von ihr übersetzten Autoren und Werke auch medial begleitet hat. Aus der Fülle der begleitenden Veranstaltungen seien hier nur erwähnt : die mit dem Vorarlberger Künstler und Kritiker Claus Pack organisierte Aufführung von François Mauriacs Keiner wird genug geliebt im Theater für Vorarlberg in Bregenz im Oktober 1955, ihre Hörfunk-Sendungen über François Mauriac (1968) und André Gide (1969 und 1971) und die „dramatisierte“ Lesung des Romans Les Racines du ciel von Romain Gary im Französischen Kulturinstitut (u.a. mit dem damals schon berühmten Burgschauspieler Walter Reyer) anlässlich des Erscheinens ihrer Übersetzung Die Wurzeln des Himmels (München, Piper, 1958).

Die ersten Übersetzungen von Lilly Sauter (Texte von Louis Aragon und des Résistance-Schriftstellers François Vernet) sind in der 1946 gegründeten Zeitschrift Wort und Tat erschienen. Sauter war gemeinsam mit Marc Bourgeois (einem der frz. Kulturverantwortlichen während der Besatzungszeit) Mitherausgeberin der ersten drei Nummern dieser von der französischen Besatzung finanzierten Zeitschrift mit internationalem und interdisziplinärem Charakter.

Das literarische Werk von Lilly Sauter

Neben ihrem Engagement in der Organisation des Kulturaustausches zwischen Österreich und Frankreich und ihren zahlreichen Übersetzungen hat Lilly Sauter auch ein persönliches literarisches Werk geschaffen. Es besteht aus Lyrik (u.a. die Gedichtbände Spiegel des Herzens, 1948, Zum Himmel wächst das Feld, 1973), darunter zahlreiche Kunstgedichte, die merklich von ihren Aufenthalten in Paris und von der Auseinandersetzung mit der französischen Malerei inspiriert sind, Kurzprosa und Erzählungen, dem 1951 erschienenen Roman Ruhe auf der Flucht, der vor biblischem Hintergrund die Geschichte einer Flüchtlingsfamilie im Nachkriegstirol erzählt und ein Zitat aus Jean Giraudoux'[20] Theaterstück La Guerre de Troie n'aura pas lieu aufnimmt  : «  Une minute de paix, c'est bon à prendre  » (II/5), sowie der 1957 veröffentlichen Novelle "Mondfinsternis", die stark von ihrem Interesse für die Malerei geprägt ist und als eine indirekte Hommage an Georges Braque[21] gelesen werden kann (der fiktive Maler, um den sich die Geschichte dreht, heisst Georg Prack![22]). Dazu kommen zahlreiche Arbeiten für den Hörfunk  : Übersetzung und Bearbeitung von Texten u.a. von Bernanos[23], Gary, Gide, Paul Guimard[24], Mauriac, Malraux[25], sowie die Hörfunkbearbeitung eigener Arbeiten.

Kunstgedichte und Kunstkritik machen den geistigen Hintergrund der Schriftstellerin deutlich. Besonders Picasso, Braque und Léger haben einen starken Eindruck auf ihre Lyrik ausgeübt. Auch die zum Teil abstrakte Verarbeitung religiöser Themen bei Alfred Manessier[26] und Georges Rouault hat Spuren hinterlassen.

Einzelnachweise

Bibliografie

Werke von Lilly Sauter

  • Im Spiegel des Herzens. Gedichte, Innsbruck: Österreichische Verlagsanstalt 1948.
  • Ruhe auf der Flucht. Innsbruck: Österreichische Verlagsanstalt 1951.
  • Mondfinsternis. Novelle. Gütersloh: Bertelsmann, 1957.
  • Zum Himmel wächst das Feld. Gedichte. Innsbruck: Wort und Welt 1973.
  • Die blauen Disteln der Kunst. Gedichte und Prosa. Hg. v. Walter Methlagl u. Karl Zieger. Innsbruck: Haymon-Verlag 1993.
  • Mondfinsternis. Ausgewählte Werke. Hg. von Karl Zieger u. Walter Methlagl unter Mitarbeit von Verena Zankl u. Christine Riccabona. Innsbruck: Haymon-Verlag 2013.

Sekundärliteratur

  • Riccabona, Christine : Lilly von Sauter (1913–1972). Schriftstellerin und Vermittlerin zwischen Menschen, Sprachen und Kulturen. In! Mitteilungen aus dem Brenner-Archiv, Nr. 24–25, 2005–06, [S. 197–211 https://ulb-dok.uibk.ac.at/miba/periodical/titleinfo/1746614]
  • Terrasse, Jean-Marc und Barbara Porpaczy, Das Institut Français ist 50 Jahre alt. L'Institut Français d'Innsbruck : 50 Jahre gemeinsame Arbeit. Innsbruck: Französisches Kulturinstitut, 1997.
  • Zankl, Verena : „Im Mittelpunkt eines magischen Kreises“. Die Kunst- und Literaturvermittlerin Lilly Sauter (1913–1972) und ihre Rolle im französisch-österreichischen Kulturtransfer nach 1945. In: Sandra *Unterweger et al.(Hg.): Bonjour Autriche. Literatur und Kunst in Tirol und Vorarlberg 1945–1955. Innsbruck, Wien, Bozen 2010 (= Edition Brenner-Forum 5), S. 371–403.
  • “Dossier Lilly Sauter“, Mitteilungen aus dem Brenner-Archiv, Nr. 32, 2013, S. 23-79.
  • Zieger:, Karl: La (re)découverte de la culture française en Autriche après la Seconde Guerre mondiale. Lilly Sauter: traductrice, conseillère littéraire. In: Rezeption und Kulturtransfer / Réception et transferts culturels. Hg. Carolin Fischer et al. . Tübingen: Stauffenburg-Verlag, "Colloquium" 2021 (Konzepte der Rezeption, Band 3) , S. 61-74.
  • Zieger, Karl: Lilly Sauter, première traductrice de Romain Gary en allemand. In : Romain Gary ou le roman total, Yves Baudelle et Julien Roumette (dir.), La Revue des lettres modernes, 2023-5, S. 149-161.

Autor

Karl Zieger

Onlinestellung: 08/11/2024