Bernard Banoun
Bernard Banoun, 1961 in Oran geboren, ist ein französischer Germanist, dessen Vermittlungstätigkeit (Forschung, Herausgebertätigkeit und Übersetzung) einen bedeutenden Beitrag zur Förderung und Verbreitung der deutschsprachigen, insbesondere der österreichischen Literatur des 20. und 21. Jahrhunderts in Frankreich leistet.
Biografische Elemente
Bernard Banoun, ehemaliger Schüler der École Normale Supérieure de Saint-Cloud (Jahrgang 1982), agrégé d’allemand (1986), studierte Deutsch, französische und vergleichende Literaturwissenschaft und verteidigte 1992 an der Sorbonne seine unter der Leitung von Jean-Marie Valentin verfasste Dissertation über Strauss, Hofmannsthal und das Opernlibretto. Seine Habilitation, die er 2000 auch an der Sorbonne verteidigte (Betreuer: Jean-Marie Valentin), widmete er einer Studie, die sich wiederum an der Schnittstelle zwischen Musik, Theater und deutschsprachiger Literatur des 20. Jahrhunderts befindet.
Bernard Banoun war nacheinander Dozent an der Université François-Rabelais de Tours (1992–1997), an der Université Paris-Sorbonne – Paris IV (1997–2002) und Professor an der Université François-Rabelais de Tours (2002–2010), bevor er 2010 als Professor für deutschsprachige Literatur des 20. und 21. Jahrhunderts erneut an die Faculté des Lettres der Sorbonne wechselte, wo er von 2013 bis 2018 die UFR für deutsche und nordische Studien und anschließend von 2019 bis 2024 die Forschungseinheit 3556 REIGENN (Représentations et identités. Espaces germanique, nordique et néerlandophone) leitete.
Forschungs- und Betreuertätigkeit
Die Forschungsschwerpunkte von Bernard Banoun sind die deutschsprachige Literatur des 20. und 21. Jahrhunderts; die Beziehungen zwischen Literatur und Musik und insbesondere das Opernlibretto im deutschsprachigen und mitteleuropäischen Raum; die Geschichte der Übersetzung. Von seinen Veröffentlichungen seien hier die Monografie L’Opéra selon Richard Strauss: un théâtre et son temps, erschienen bei Fayard im Jahr 2000, sowie die folgenden Ausgaben genannt: Richard Strauss – Hugo von Hofmannsthal: Correspondance 1900–1929 (Paris: Fayard 1992) und Richard Strauss – Stefan Zweig: Correspondance 1931–1936 (Paris: Flammarion 1994), die erste wissenschaftliche Ausgabe dieses Briefwechsels, die im Hinblick auf das Original aus dem Jahr 1952 erweitert wurde.
Was die Herausgabe bzw. Mitherausgabe von Sammelbänden mit Bezug zur österreichischen Literatur betrifft, sind u.a. zu erwähnen: Aug’ um Ohr: Medienkämpfe in der österreichischen Literatur des 20. Jahrhunderts (2002, mit Lydia Andrea Hartl und Yasmin Hoffmann); die (durch kritische Artikel ergänzte) Anthologie der Kärntner Literatur seit den 1960er Jahren Aux frontières: la Carinthie (2003), die im Rahmen eines literarischen Programms Klagenfurt/Paris unter der Leitung von Heinz Schwarzinger erarbeitet wurde; die Dossiers „Elfriede Jelinek“ (2007) und „Josef Winkler“ (2022), die in der Zeitschrift Europe erschienen sind; die Ausgaben 274 (2014/2) und 280 (2016/1) der Zeitschrift Études germaniques, die Ernst Jandl und Josef Winkler gewidmet sind. Bernard Banoun widmete auch Josef Winkler (Nr. 17/2022) und Antonio Fian (Rede in der Gedenkstätte Greifenburg, Nr. 21/2024) Dossiers in der Zeitschrift Mémoires en jeu.
Neben dieser wissenschaftlichen Tätigkeit hat Bernard Banoun zahlreiche Dissertationen betreut, von denen sich mehrere mit literarischen und musikalischen Themen in Verbindung mit Österreich auseinandersetzen: Paul Celan als Deutschlektor an der ENS; Von einem Rezipienten zum anderen. Studie zu einer poetologischen Figur Celans; Geschichte der (Re-)Translationen und (Re-)Übersetzer von Rilkes Gedichten in Frankreich; Stefan Zweigs Andere. Die Darstellung und Konstruktion von Fremden; Die französischen Übersetzungen von Mozarts Opern Die Entführung aus dem Serail und Die Zauberflöte; Das Darstellbare und das Politische im Zeitalter der Brutalisierung – Karl Kraus, Peter Weiss.
In Bernard Banouns Unterricht nahm und nimmt die österreichische Literatur auch einen wichtigen Platz ein (Hofmannsthal, Rilke, Trakl, Kafka, Musil, Schnitzler, Celan, Bachmann, Jelinek, Handke, Kofler, Scharang[1], Innerhofer[2], usw.), und im Rahmen eines von ihm 2012 an der Sorbonne eingeführten Programms für Literaturresidenzen wurden Josef Winkler (2013) und Kathrin Röggla (2022) eingeladen.
Übersetzungstätigkeit
Bernard Banoun ist auch Literaturübersetzer (seine Übersetzungen, insbesondere von Josef Winkler und Werner Kofler, wurden mit mehreren Preisen ausgezeichnet). Seit Mitte der 1980er Jahre hat er mehrere Opernlibretti für die Zeitschrift L’Avant-Scène Opéra oder andere Medien übersetzt (Strauss: Capriccio und Hélène égyptienne, Korngold[3], Zemlinski[4], Moïse et Aaron und Du jour au lendemain von Schoenberg, Lulu von Berg usw.), auch Theater (Hennir von Antonio Fian, Caf’conc’ Treblinka von Werner Kofler), Briefe von Trakl für die Zeitschrift Europe, Erzählprosa von Josef Winkler, Werner Kofler und Maja Haderlap[5], Erzählungen von Zweig (mit Bezug zum Judentum) im Rahmen der Neuübersetzung seiner Romane, Novellen und Erzählungen, die 2013 unter der Leitung von Jean-Pierre Lefebvre[6] in der „Bibliothèque de la Pléiade“ erschienen sind, und für den Verlag Laurence Teper den Essay À qui appartient une histoire? (2005) von Norbert Gstrein[7] sowie kurze Texte von Elfriede Jelinek, Kathrin Röggla und Clemens Setz[8].
Bernard Banouns Tätigkeiten im Bereich der Kulturvermittlung manifestieren sich schließlich in Lesungen und Begegnungen mit Autorinnen und Autoren, insbesondere mit Werner Kofler, Josef Winkler und Maja Haderlap (Paris, Dijon, Lagrasse, Nantes, Arles, Stuttgart, Klagenfurt). Außerdem koordinierte er das Team für die Übersetzung der Texte ins Französische, die 2008 in Klagenfurt bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur („Bachmann-Preis“) vorgestellt wurden.
Diese Praxis der literarischen Übersetzung geht einher mit Forschungsarbeiten über die Übersetzung, erwähnt sei hier als Beispiel der gemeinsam mit Isabelle Poulin und Yves Chevrel herausgegebene vierte (dem 20. Jahrhundert gewidmete) Band der Histoire des traductions en langue française (HTLF) (Lagrasse: Verdier 2019, 1910 Seiten).
Durch all seine eng miteinander verbundenen Lehr-, Forschungs- und Übersetzungstätigkeiten erscheint Bernard Banoun als ein wichtiger Vermittler der modernen und zeitgenössischen österreichischen Literatur in Frankreich.
Quellen und externe Links
- ↑ https://www.austrianfilms.com/director/elisabeth_scharang
- ↑ https://www.larousse.fr/encyclopedie/litterature/Franz_Innerhofer/171422
- ↑ https://musiklexikon.ac.at/0xc1aa5576_0x0001d595
- ↑ https://musiklexikon.ac.at/0xc1aa5576_0x0001e799
- ↑ https://editions-metailie.com/auteur/maja-haderlap/
- ↑ https://www.archicubes.ens.fr/espace-carri%C3%A8res/portrait-du-mois/jean-pierre-lefebvre
- ↑ https://www.babelio.com/auteur/Norbert-Gstrein/114795
- ↑ https://www.babelio.com/auteur/Clemens-J-Setz/254772
Bibliografie
- Banoun, Bernard, Hartl, Lydia Andrea und Hoffmann, Yasmin (Hrsg.): Aug’ um Ohr. Medienkämpfe in der österreichischen Literatur des 20. Jahrhunderts. Berlin: E. Schmidt 2002.
- Banoun, Bernard (Hrsg.): Aux frontières: la Carinthie. Une littérature en Autriche des années 1960 à nos jours = Cultures d’Europe centrale, hors-série 2 (2003).
- Banoun, Bernard und Wilker, Jessica (Hrsg.): Paul Celan. Traduction, réception, interprétation suivi de Paul Antschel à Tours 1938-1939 = Littérature et nation 33 (2006).
- Banoun, Bernard, Hoffmann, Yasmin und Zeyringer, Klaus (Hrsg.): Dossier Elfriede Jelinek. In: Europe 933–934 (Januar–Februar 2007), S. 306–453.
- Banoun, Bernard (Hrsg.): Dossier Josef Winkler. In: Europe 1117 (Mai 2022), S. 257–292.
Autor
Marc Lacheny
Onlinestellung: 22/04/2025