Österreichische bildende Künstler:innen in Frankreich (20. Jh.)
Die Industrialisierung sowie das Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum ließen Paris im 19. Jahrhundert zur globalen Metropole aufsteigen (1800: rund 500.000 Einwohner, 1900: rund 2,7 Mio.). Die Nachfrage des weltgrößten Kunstmarktes und die zahlreichen Präsentationsmöglichkeiten immer neuer Werke waren wesentliche Faktoren der Entstehung der modernen Kunst um 1900. So wirkte Paris als „Hauptstadt der Moderne“ wie ein Magnet auf zahlreiche Künstler:innen, Designer:innen und Architekt:innen aus aller Welt und aus Österreich. Sie verbrachten längere Studien- und Arbeitsaufenthalte in Paris, in der bukolischen Provence oder an den Küsten des Atlantiks und des Mittelmeers, wo die französischen Pioniere der Moderne gearbeitet hatten. Einige von ihnen konnten sich erfolgreich im Pariser Kunstbetrieb etablieren und Prominenz entfalten.
Österreich im 20. Jahrhundert
Der Begriff des Österreichischen bezieht sich im 20. Jahrhundert auf zwei verschieden große Territorien und fünf höchst unterschiedliche Staatsformen bzw. Regierungen. Bis 1918 umfasste das Staatsgebiet Österreichs (die „cisleithanische“ Hälfte der österreichisch-ungarischen Monarchie) die Gebiete des Erzherzogtums Österreich, die böhmischen Länder mit Böhmen, Mähren und österreichisch-Schlesien, sowie Galizien, die Bukowina und das nordadriatische Küstenland. Künstler:innen aus diesen Ländern der Habsburger-Monarchie firmierten – etwa auf den Weltausstellungen in Paris – als Österreicher:innen. In Frankreich waren sie als österreichische Staatsangehörige auch den Folgen des Kriegsausbruchs am 28. Juli 1914 unterworfen (entweder Landesverweis bzw. Internierung oder Kampf für die Entente). Seit der Gründung der Republik Deutschösterreich am 12. November 1918 (später umbenannt in Republik Österreich) versteht man Staatsbürger:innen und Einwohner:innen der deutschsprachigen Gebiete der ehemaligen Monarchie als Österreicher:innen. Die Staatsform dieses Territoriums änderte sich am 4. März 1933 erneut mit der Implementierung der christlich-sozialen Kanzlerdiktatur („Austrofaschismus“, „Ständestaat“). Vom 13. März 1938 („Anschluss“ an NS-Deutschland) bis zur Gründung der Zweiten Republik am 27. April 1945 existierte kein österreichischer Staat. Die Österreicher:innen wurden zu deutschen Staatsbürgern und konnten unter bestimmten Voraussetzungen in die von Deutschland besetzten Gebiete Europas reisen, darunter auch nach Frankreich. Mit der Etablierung der Neutralität Österreichs 1955, dem EU-Beitritt 1995 und dem Beitritt zum Schengen-Abkommen 1997 entstanden weitere relevante Parameter der temporären oder dauerhaften Künstler:innen-Migration österreichischer Künstler:innen nach Frankreich.
Österreichische Künstler:innen in Frankreich 1900–1914
Von den 1890er Jahren bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 erblühten in Paris zahlreiche klassisch-moderne Kunstströmungen, darunter der Art Nouveau, der Fauvismus und der Kubismus. Sie wirkten als mächtige Pull-Faktoren für moderne österreichische Künstler:innen.
Spät- und Postimpressionismus, Art Nouveau, früher Kubismus
Vier Künstler aus Böhmen und Mähren, die damals zu Österreich gehörten, bildeten die Pioniergruppe österreichischer Künstler des 20. Jahrhunderts in Paris. Als bewusste Tschechen suchten sie gezielt andere Anregungen als jene, die sie in der Hauptstadt Wien erhalten konnten. Der mährische Grafiker und Maler Alfons Mucha besuchte 1889 die Weltausstellung und blieb danach in Paris. Dort teilte er sich kurzfristig ein Wohnatelier mit Paul Gauguin. 1898 lehrte er an den privaten Pariser Académies Colarossi und Carmen. 1902 begleitete er Auguste Rodin, der im Jahr zuvor eine einflussreiche Werkschau in der Secession gezeigt hatte und 1909 ein Porträt des Wiener Komponisten Gustav Mahler schuf, auf einer Reise nach Mähren. Als Grafiker errang Mucha mit seinen berühmten Art-Nouveau-Plakaten (etwa für die Schauspielerin Sarah Bernhardt oder für Österreich auf der Weltausstellung 1900) großes Renommée in Paris, bevor er 1918 nach Prag zog. Der böhmische Künstler František Kupka traf 1894 in Paris ein, etablierte sich dort ebenfalls als Illustrator und ab 1911 auch als einer der ersten abstrakten Maler. 1914 standen viele tschechische Künstler mit österreichischer Staatsangehörigkeit vor der Wahl zwischen der Heimreise und dem Eintritt in die französische Armee. Kupka wählte den Kriegsdienst und kehrte erst 1918 wie Mucha zurück nach Prag. 1906 bis 1910 studierte der böhmische Maler und Bildhauer Otto Gutfreund an der privaten Académie de la Grande Chaumière[1] bei Antoine Bourdelle. In Paris lernte er den Kubismus kennen. Wie Kupka kämpfte auch Gutfreund für Frankreich in einer tschechischen Legion und ging 1920 zurück nach Prag. Der kubistische Maler Emil Filla aus Mähren schließlich hielt sich seit der Zeit um 1910 mehrmals in Paris auf, wo ihm der Prager Sammler und Kunsthistoriker Vincenc Kramář die Bekanntschaft mit Picasso und Braque vermittelte. Den Weltkrieg verbrachte Filla in Holland und kehrte wie Mucha, Kupka und Gutfreund 1918 zurück nach Prag, um dort nach Pariser Vorbild die moderne Kunst der neugegründeten Tschechoslowakischen Republik (CSR) mit aufzubauen.
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František Kupka, Die Kathedrale, 1912-13
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Otto Gutfreund, Cellospieler, 1912-13
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Rudolf Quittner, Les lingères place du Tetre, Paris, vor 1910
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Walter Bondy, Blauer Pavillon in Saint-Cloud, 1907
Die Weltausstellung, der prosperierende Kunstmarkt und die zahlreichen modernen Kunstströmungen führten ab 1900 dazu, dass sich bis 1914 immer mehr österreichische Künstler:innen in Paris ansiedelten oder längere Studien- und Arbeitsaufenthalte dort verbrachten. So bewunderte die Bildhauerin Elsa Kövesházi-Kalmár im Jahre 1900 die Kunst Auguste Rodins vor Ort und lebte 1912–14 in Paris. Ab 1901 verbrachte der Maler und Fabrikantensohn Rudolf Quittner jeden Sommer in der Hauptstadt der Moderne, wo er an der privaten Académie Julian am Montmartre studierte und spätimpressionistische Stadtbilder malte. 1910 verstarb er in Neuilly-sur-Seine. 1903–14 lebte der Wiener Maler Walter Bondy, ein weiterer Erbe eines Industrievermögens, in Paris. 1918–1930 pendelte er zwischen Frankreich, Wien und Berlin. 1931 bis zu seinem Tod 1940 ließ sich Bondy im beliebten mediterranen Künstlerdorf Sanary-sur-Mer nieder. 1904–1909 lebte der Maler und Illustrator Ferdinand Michl in Paris, der dort im Stile des Art Nouveau für illustrierte Zeitschriften wie Le Rire und Le Témoin arbeitete. 1909 unternahm Gustav Klimt seine erste und einzige Reise nach Paris. Dort besuchte er Auguste Rodin, den er seit dessen erfolgreicher Beteiligung an der IX. Ausstellung der Secession 1901 kannte. Darüber hinaus suchte Klimt gezielt Werke von Toulouse-Lautrec, Van Gogh, Gauguin und Matisse auf, was sein Spätwerk deutlich beeinflusste.

Cézanne und die Folgen
Seit der Jahrhundertwende begann auch die innovative Malerei von Paul Cézanne ihre große Wirkung zu entfalten – etwa durch einen eigenen Saal im Salon d’automne von 1904, an dem Cézannes Händler Ambroise Vollard mitwirkte. 1905 trafen der Maler Georg Merkel und seine Frau Louise Merkel-Romée in Paris ein und orientierten sich in ihren Bildern deutlich an der Kunst von Cézanne und Puvis de Chavannes. Sie lebten bis 1908 und erneut 1909–1914 in Paris. Ab 1922 stellten sie ihre Bilder französischer Inspiration im Wiener Hagenbund aus. 1938 flohen sie nach Frankreich. Sie überlebten nach einer vorübergehenden Internierung im Süden, gingen nach 1945 zurück nach Wien, reisten jedoch immer wieder nach Montauban rund 50 km nördlich von Toulouse.
Fünf fauvistische Malerinnen


Vor dem Ersten Weltkrieg lernte auch eine Gruppe von fünf österreichischen Künstlerinnen in Frankreich, von denen einige um 1900 an der Wiener Kunstgewerbeschule studiert hatten. Diese Malerinnen können als bisher zu wenig gewürdigte Pionierinnen der farbintensiven expressionistischen Malerei in Österreich bezeichnet werden. Sie hatten sich lange vor Oskar Kokoschka und anderen Expressionisten, die erst in den 1920er Jahren Paris waren, vor Ort mit der Malerei der Nabis und der Fauves vertraut gemacht. Helene Funke entstammte einer wohlhabenden deutschen Familie, lebte 1905–1913 in Paris und Südfrankreich und rezipierte als eine der ersten österreichischen Künstler:innen den Fauvismus von Matisse, Braque und Derain. Emma Schlangenhausen studierte 1909 bis 1914 in Paris an der Académie Ranson bei Maurice Denis und ab 1914 in der Schweiz bei Cuno Amiet, der 1892/93 in Pont-Aven gelebt und dort die Kunst von Gauguin, Sérusier, Bernard und Denis kennengelernt hatte. 1918 ließ sie sich in Salzburg nieder. Auch Marie Cyrenius und Magda Mautner-Markhof, eine Schwägerin von Kolo Moser, lernten 1909/10 an der Académie Ranson sowie 1910 bei Cuno Amiet, bevor sie nach Salzburg gingen. Helene von Taussig, Tochter eines einflussreichen Wiener Bankiers, stieß 1911 in Paris zu Emma Schlangenhausen und lebte ab 1918 ebenfalls in Salzburg. 1942 wurde sie in der Shoah ermordet. Hilde Exner hatte vor 1914 bei Aristide Maillol in Paris gelernt und lebte ab 1918 wie ihre Kolleginnen in Salzburg.
Die Schule von Pont-Aven
Die Nabis und die Schule von Pont-Aven übten auch auf Carl Moser und Heinrich Schröder intensive Einflüsse aus. Der Südtiroler Moser lernte 1906/07 an der Académie Julian in Paris. Anschließend hielt er sich – vielleicht auf Anregung seines Künstlerfreundes Max Kurzweil – in Concarneau und in Douarnenez in der Bretagne sowie in Deauville in der Normandie auf. Nach seiner Rückkehr bildeten typische Motive jener Küstenorte den zentralen Inhalt seiner bekannten Farbholzschnitte. Heinrich Schröder wurde von der Malerin Broncia Koller-Pinell gefördert und reiste um 1910 nach Frankreich. In der Bretagne entstanden Bilder, die evident die Schule von Pont-Aven fortsetzen.
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Carl Moser, Fischmarkt in Douarnenez, 1929
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Heinrich Schröder, Boote bei Étretat, 1909
Kubismus-Rezeption
Der Kubismus wurde nach Aufenthalten in Frankreich vor 1914 am deutlichsten von Alfred Wickenburg, Felix Albrecht Harta, Albert Paris Gütersloh und Aloys Wach rezipiert. Wickenburg studierte 1906–09 an der Académie Julian in Paris und danach bei Adolf Hölzel in Stuttgart. Ab den 1920er Jahren malte er in Varianten des Kubismus. Harta weilte 1908 (Beteiligung am Salon d’automne) sowie 1912/13 und 1926/27 in Paris. Schon vor 1914 malte er expressiv-kubistische Straßenszenen aus der französischen Hauptstadt. Auch Gütersloh, der sich 1911/12 in Paris aufhielt und dort Maurice Denis kennenlernte, pflegte danach eine individuelle, intensivfärbige Fortentwicklung des Kubismus. Schließlich besuchte der expressionistisch-kubistische oberösterreichische Maler Aloys Wach 1913/14 die Académie Colarossi in Paris. Dort lernte er Amedeo Modigliani kennen und freundete sich mit Künstlerkollegen im Bateau-Lavoir an, bevor er wegen des Krieges nach Österreich zurückkehren musste.
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Alfred Wickenburg, Rinaldo und Armida, 1923
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Felix Albrecht Harta, Pariser Straßenkreuzung, 1913
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Albert Paris Gütersloh, Damenbildnis, 1913
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Aloys Wach, Frau vor einer Ruine, 1917
Hagenbündler und die Neukunstgruppe

Die letzten Aufenthalte österreichischer Künstler in Frankreich vor 1914 standen bereits im Schatten des Weltkrieges. Kurz vor Kriegsbeginn weilten mit Leopold Gottlieb, Beni Ferenczy, Robert Kloss und Kazimierz Sichulski einige Maler des Wiener Hagenbundes in Frankreich. Die beiden jungen Kärntner Maler Anton Kolig und Franz Wiegele[2], die mit Egon Schiele und Anton Faistauer in Wien die Neukunstgruppe gegründet und

sich in Aufsehen erregenden Ausstellungen 1909 im Kunstsalon Pisko und 1911 gemeinsam mit Oskar Kokoschka im Hagenbund präsentiert hatten, erhielten 1912 auf Vermittlung von Carl Moll Reisestipendien nach Frankreich. In Paris bildeten sie sich als freie Künstler weiter, bevor Kolig nach Südfrankreich ging und Wiegele in die französischen Kolonien Nordafrikas reiste. Überrascht vom Kriegsausbruch im August 1914, musste Kolig samt Familie unter Zurücklassung seiner Bilder überstürzt aus Cassis zurück nach Österreich flüchten. Wiegele hingegen wurde im algerischen Sebdou und auf der Insel Sainte-Marguerite vor Cannes interniert, bevor er 1916 als Austauschgefangener freikam. Auch die impressionistisch-stimmungsrealistische Malerin Marie Egner wurde auf einer Frankreichreise 1914 vom Kriegsausbruch überrascht und einige Monate interniert.
Nach dem Kriegsbeginn war Frankreich für fast ein Jahrzehnt aufgrund zahlreicher politischer und finanzieller Reisehindernisse ein nahezu unerreichbares Ziel für österreichische Künstler:innen. Am Ende des Ersten Weltkrieges waren die austrofranzösischen Kunstbeziehungen nahezu am Nullpunkt angelangt.
Österreichische Künstler:innen in Frankreich 1918–1933
Ab den frühen 1920er Jahren zogen erneut zahlreiche Künstler:innen aus Wien nach Paris, das nach wie vor als Zentrum der modernen Kunst galt. Hatten vor dem Krieg unter den österreichischen Künstler:innen in Frankreich noch die Maler:innen dominiert, so betraten nach 1918 immer mehr Architekten und Designerinnen die Bühne.
Adolf Loos
Der prominenteste österreichische Architekt, der sich in der Zwischenkriegszeit in Frankreich aufhielt, war Adolf Loos. Durch Publikationen seiner wegweisenden frühen Bauten und die erstmalige Veröffentlichung seines berühmten Essays „Ornament und Verbrechen“ im Juni 1913 in der Zeitschrift Les Cahiers d’aujourd’hui (Ornement et Crime, übersetzt von Marcel Ray) war er in Pariser Avantgarde-Kreisen bereits hoch angesehen. Nachdem das „Rote Wien“ (sozialdemokratische Stadtregierung 1919–33) Loos’ Konzepte für den kommunalen Wohnbau nicht realisieren wollte und die private Bautätigkeit in Österreich auf ein Minimum gesunken war, reiste er ab 1920 immer öfter nach Frankreich. 1922/23 weilte Loos an der Côte d’Azur und adaptierte sein Terrassenhaus-Konzept an das mediterrane Ambiente neuer Wohnhaus- und Hotelprojekte (Grand Hotel Babylon in Nizza, Gruppe von zwanzig Villen mit Dachgärten, Villa für Paul Verdier). Seine Idee für ein Hotel in einem Pinienwald an der Côte d’Azur wurde 1931 in der Zeitschrift L’Architecture d’Aujourd’hui publiziert.

1923 zog Loos zum österreichischen Musiker Jan Ślivińsky (Hans Effenberger) an den Quai d’Orléans 20 in Paris. Ślivińsky betrieb 1925–1929 in der Rue du Cherche-Midi 5 die Avantgarde-Galerie Au sacre du printemps, in der u.a. 1928 die zweite Surrealismus-Ausstellung stattfand. Dort stellten auch österreichische Künstler wie der Grafiker Heinrich Sussmann aus, der an der Académie de la Grande Chaumière gelernt hatte und mit Unterbrechungen durch Wien-Reisen und KZ-Haft bis 1945 in Frankreich lebte. Adolf Loos’ Umgang mit der Pariser Avantgarde brachte ihn auch in Kontakt mit Marcel L’Herbier, Willi Baumeister, Piet Mondrian und Enrico Prampolini. 1925 wohnte er in der Rue de Rivoli 42 bei Erwin Rosenberg, für den er ein nicht realisiertes Haus an der Avenue Junot entwarf. 1926–28 lebte Loos in der Rue de la Boétie 101 sowie im Hotel Californie in der Rue de Berri 16. An realisierten Projekten plante er mit seinen temporären Mitarbeitern Zlatko Neumann, Heinrich Kulka, Jean Welz und Walter Loos 1925/26 das Wohnhaus des dadaistischen Dichters Tristan Tzara in der Avenue Junot 15 sowie 1927/28 die Pariser Filiale des Wiener Herrenausstatters Kniže an der Avenue des Champs-Élysées 146. Für die bekannte amerikanische Tänzerin Josephine Baker entwarf Loos 1927 ein nicht realisiertes Pariser Wohnhaus mit Swimmingpool.
Art Déco und Neoplastizismus



1925 zog die Exposition internationale des arts décoratifs et industriels modernes zahlreiche Architekt:innen und Designer:innen aus aller Welt nach Paris. Aufgrund der politischen Spannungen nach dem Krieg wurde Deutschland von der veranstaltenden französischen Regierung nicht zur Teilnahme eingeladen, während die USA eine Einladung ausschlugen, weil sie nach Meinung des zuständigen Handelsministers Herbert Hoover über keine moderne Designszene verfügten. Österreich präsentierte einen beachteten nationalen Pavillon sowie zahlreiche weitere Exponate in anderen Abteilungen. Der Pavillon wurde von Josef Hoffmann entworfen, in Wien vorgefertigt, per Bahn nach Paris transportiert und dort montiert (teils auf einer Terrasse über der Seine). Zusätzlich zu den Räumen für Kunst und Kunstgewerbe bot er ein Glashaus von Peter Behrens, einen Orgelturm von Oskar Strnad und ein Café von Josef Frank. Zwei weitere österreichische Beiträge waren im Grand Palais zu sehen. Dort präsentierten die Installationen von Oswald Haerdtl (Architektur aus Österreich) und Friedrich Kiesler (Theater aus Österreich) avantgardistische Ausstellungsdisplays, die deutlich vom Neoplastizismus der De-Stijl-Bewegung um Piet Mondrian und Theo van Doesburg inspiriert waren. In der Architekturausstellung waren Modelle, Schaubilder und Pläne von etablierten Architekten (etwa Josef Hoffmanns Palais Stoclet in Brüssel) und von Schülern der Wiener Kunstgewerbeschule[3] zu sehen.
Friedrich Kieslers Theaterausstellung präsentierte in einer abgehängten Konstruktion aus Kanthölzern und Plattformen in Primärfarben avantgardistische Bühnenbildentwürfe und Modelle. Diese Installation im Grand Palais war gleichzeitig das Modell einer frei im Raum schwebenden Zukunftsstadt (Cité dans l’espace). Ein Manifest dazu veröffentlichte Kiesler in der Zeitschrift De Stijl. Nach der Art-Déco-Schau 1925 blieb er in Paris, da er dort wegen der Erfolge der internationalen Avantgarde (Pavillons von Le Corbusier und Konstantin Melnikow) bessere Karrierechancen erwartete als in Wien. Kiesler pflegte unter anderem Kontakte zu Fernand Léger und Theo van Doesburg, mit dem ihn eine enge Freundschaft verband. 1926 zog er mit seiner Frau Stefi auf Einladung des New Yorker Avantgarde-Magazins Little Review weiter nach New York. Von August bis Oktober 1930 hielt sich das Ehepaar Kiesler erneut in Paris auf, um seine Visa für die USA zu erneuern. 1947 reiste Friedrich Kiesler für die Gestaltung einer Ausstellung der Surrealisten abermals nach Paris.
Der Kreis um Le Corbusier


1922 kam der armenisch-iranische Architekt Gabriel Guévrékian, der 1915–19 an der Wiener Kunstgewerbeschule bei Oskar Strnad und Josef Frank studiert und 1919–23 für Josef Hoffmann gearbeitet hatte, nach Paris. Hier fand der prototypische Kosmopolit sofort Anschluss an die Architektur-Avantgarde um Le Corbusier, André Lurçat und Sigfried Giedion. 1922–26 arbeitete er mit Robert Mallet-Stevens an dessen Häusern in der gleichnamigen Straße im 16. Pariser Arrondissement. Mallet-Stevens war ein Neffe von Suzanne Stevens, der Ehefrau des belgischen Bankiers und Industriellen Adolphe Stoclet. Für diese Familie hatte Josef Hoffmann mit Künstlern der Wiener Werkstätte 1906–1911 in Brüssel sein berühmtes Palais Stoclet erbaut. Durch seinen starken Eindruck auf Mallet-Stevens und den Couturier Paul Poiret beeinflusste Hoffmann den Pariser Art Déco nennenswert. Für die Villa von Vicomte Charles und Marie-Laure de Noailles in Hyères, die Mallet-Stevens plante, entwarf Guévrékian einen kubistischen Garten aus orthogonalen Beeten und Farbfeldern. Ab 1928 wirkte er auf Wunsch von Le Corbusier als Generalsekretär der Congrès Internationaux d’Architecture Moderne (CIAM). 1929–32 entstand sein Modell-Doppelhaus auf Pilotis für die Wiener Werkbundsiedlung.
Jean (Hans) Welz, der ebenfalls an der Wiener Kunstgewerbeschule studiert und bei Josef Hoffmann gearbeitet hatte, wirkte 1925 an Österreichs Beiträgen für die Art-Déco-Weltausstellung mit.

Danach arbeitete er für Adolf Loos an dessen Haus Tzara sowie für den Pariser Architekten Raymond Fischer. Er verkehrte in Avantgarde-Kreisen um Robert Mallet-Stevens und bewunderte Le Corbusier. 1933 entwarf er streng nach dessen Planungsprinzipien ein schmales Wohnhaus auf Pilotis an einem steilen Hang mit weitem Ausblick über Paris. Bauherr für das Haus in der Rue Georges Lardennois 70 im 19. Pariser Arrondissement (Buttes-Chaumont) war der griechische Ingenieur Athanase Zilveli. Trotz Petitionen von Architekturfreunden wurde es 2022 abgetragen.
Ein direkter Kontakt zu Le Corbusier ergab sich im Herbst 1929 durch das dreimonatige Volontariat des jungen Grazer Architekten Herbert Eichholzer im berühmten Atelier in der Rue de Sèvres 35. Er setzte die corbusianische Lehre mit mehreren Einfamilienhäusern für fortschrittliche Grazer Bauherrenfamilien innerhalb Österreichs am konsequentesten fort. Als Kommunist zählte Eichholzer 1943 zu einem der prominentesten politischen Opfer des NS-Regimes.
1930 kam Jacqueline Groag (eig. Hilde Blumberger, geborene Pick), die an der Wiener Kunstgewerbeschule bei Franz Čižek und Josef Hoffmann studiert hatte, nach Paris und lieferte Textilmuster für die Modehäuser Chanel, Lanvin, Rodier, Elsa Schiaparelli und Paul Poiret. 1937 heiratete sie Jacques Groag, einen zeitweisen Mitarbeiter von Paul Engelmann sowie von Singer & Dicker, der sich bereits 1926 für die Mitarbeit bei der Planung des Hauses Tzara von Adolf Loos in Paris aufgehalten hatte. Das Ehepaar lebte in Wien, bevor es 1938 nach Prag und weiter nach London floh.
Der Wiener Kreis und die Architektur
1933 präsentierte die Zeitschrift L’Architecture d’aujourd’hui (gegründet 1930 von André Bloc et Eugène Cahen) in der Galerie Vignon in der Pariser Rue Vignon 17 zahlreiche Werke moderner Architektur aus Österreich, Belgien, Spanien, Ungarn, Italien, Polen, Tschechoslowakei und Jugoslawien. Aus Österreich waren Werke von Otto Wagner, Josef Hoffmann, Josef Frank, Lois Welzenbacher und Adolf Loos sowie mehrere Wiener Siedlungsbauten zu sehen. An der Organisation war das Wiener Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum beteiligt, das 1924 von Otto Neurath gegründet worden war, einem einflussreichen Mitglied des Wiener Kreis des Logischen Empirismus um Moritz Schlick.
Später Fauvismus, Kubismus, Neue Sachlichkeit
Neben den Architekten und Designerinnen lebten und arbeiteten in der Zwischenkriegszeit auch zahlreiche österreichische Maler:innen in Frankreich. Wie schon vor dem Ersten Weltkrieg können dabei etliche „Cluster“ unterschieden werden. Einen davon bildeten die Künstler:innen in dem und um den Wiener Hagenbund. Die Maler:innen dieses Kreises teilten fauvistische, kubistische und neusachliche Kunstauffassungen. Ab 1921 lebte Willy Eisenschitz, 1930 ein korrespondierendes Mitglied des Hagenbundes, jahrelang in der Provence und in Paris, wo er 1912–14 studiert hatte. Die deutsche Besatzung überlebte er in einem südfranzösischen Versteck. 1923–25 weilte Ilse Bernheimer, die an der Wiener Kunstgewerbeschule studiert und im Hagenbund ausgestellt hatte, in Saint-Tropez, wo sie die Fauvismus-Pioniere Henri Matisse und Henri Manguin kennenlernte. 1925–41 lebte der Maler Josef Floch in Paris und präsentierte sich in der renommierten Galerie Berthe Weill in der Rue Taitbout 50. Vor der deutschen Besatzung musste er 1940 nach Amerika flüchten. 1927 zog die Malerin Lilly Steiner mit ihrem Ehemann Hugo nach Paris, der dort die von Adolf Loos gestaltete Filiale des Wiener Herrenausstatters Kniže leitete. Beide lebten bis zu ihrem Tod in Frankreich. Viktor Tischler hatte schon vor 1914 Studienreisen nach Frankreich unternommen, lebte dort 1928–41 und floh dann in die USA. Georg Pevetz reiste 1929 nach Frankreich und machte sich mit Vlaminck und Matisse bekannt, bevor er 1940 als malender Besatzungsoffizier wiederkehrte. Einer der engagiertesten österreichischen Kubisten war der Grazer Maler Ernst Paar, der 1930–33 in Paris lebte. Sein Freund Hans Stockbauer studierte dort 1929–30 an der Académie Julian und malte ebenfalls kubistische Bilder. Auch Albert Reuss schuf expressiv-kubistische Bilder und verbrachte 1930 ein Jahr in Cannes. Die junge Emailkünstlerin und neusachliche Malerin Franziska Zach bezog 1930 ein Atelier in Paris. Sie bereitete bereits eine Einzelausstellung vor, bevor sie im gleichen Jahr starb. 1931–33 lebte Eduard Bäumer in Paris, wo er sich vom Kubismus und der Malerei der Neuen Sachlichkeit beeinflussen ließ. Auch die teils neusachlichen, teils expressiven Hagenbund-Maler Theo Fried, Karl Josef Gunsam, Theodor Kern, Robert Kohl, Viktor Planckh, Frieda Salvendy, Otto Rudolf Schatz, Ferdinand Stransky und Fritz Schwarz-Waldegg verbrachten in der Zwischenkriegszeit jeweils einige Monate in Paris.
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Willy Eisenschitz, L'Estaque, 1928
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Lilly Steiner, Portrait de Fernande Olivier, 1934
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Viktor Tischler, Marseille, um 1925
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Ernst Paar, Stillleben mit Flasche, 1934
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Hans Stockbauer, Stillleben, um 1930
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Franziska Zach, Paris-Belleville, 1930
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Eduard Bäumer, Melonenstillleben, 1931
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Fritz Schwarz-Waldegg, Straße in Paris, um 1930
Expressive Strömungen
Oskar Kokoschka und Herbert Boeckl, die beiden zentralen Figuren der expressionistischen Malerei Österreichs in der Zwischenkriegszeit, sahen kaum Karrierechancen in Frankreich und reisten nur zu relativ kurzen Aufenthalten an. Kokoschka weilte auf seinen ausgedehnten Reisen durch Europa 1924 und 1930/1931 in Paris. Beispielsweise entstand dort 1924 sein Bild der Opera Garnier. 1931 präsentierte Kokoschka eine Einzelausstellung bei Georges Petit in der Rue de Sèzes 8. Herbert Boeckl konnte mit einem Vertrag des Wiener Kunsthändlers Gustav Nebehay im Frühjahr 1923 einen Studienaufenthalt von rund vier Monaten in Paris verbringen, wo er im Louvre nach alten Meistern skizzierte und die Fortifikationen an der Porte Gentilly malte.
Wie Boeckl stammte auch Jean Egger aus Kärnten. Er lebte 1924–31 in Paris und konnte sich mithilfe seines Münchner Studienkollegen und Freundes Arne Bjørnson-Langen in Avantgarde-Kreisen um Le Corbusiers Bruder, den Tanzpädagogen Albert Jeanneret, und die Galerie Au sacre du printemps etablieren. Seine gestisch-pastosen Landschaften und seine Porträts bekannter Persönlichkeiten, die er über den Kreis um Sophie Szeps-Clemenceau kennenlernte, wurden im Salon des Artistes Indépendants, im Salon des Tuileries, im Salon du Franc und in der Galerie Louis (Lewis) Sloden in der Pariser Rue du Faubourg Saint-Honoré 43 ausgestellt.
Der Grazer Maler Wilhelm Thöny reiste erstmals 1929 nach Paris und lebte 1931–38 gänzlich dort sowie an der Côte d’Azur. In Paris verkehrte er in Künstlercafés und in seinen gezeichneten Tagebüchern erscheinen unter anderem Porträts von Picasso und seinen Freunden. 1938 zog er weiter nach New York. 1929–34 lebte auch der expressionistische Wiener Maler Silvain Vigny in Paris, bevor er weiter nach Nizza zog, wo er bis zu seinem Tod 1970 vorwiegend lebte. Auch Erich Schmid aus Wien malte expressiv. Er floh 1938 nach Paris und war 1940–42 gemeinsam mit seinem Freund Jean Améry im Camp de Gurs in der Vichy-Zone Frankreichs im Département Pyrénées-Atlantiques interniert. 1945 bis zu seinem Suizid 1978 lebte er in Paris.
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Oskar Kokoschka, Pariser Oper, 1924
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Herbert Boeckl, Fortifikationen von Paris, 1923
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Jean Egger, Sophie Szeps-Clemenceau, 1925
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Wilhelm Thöny, Paris, Île de la Cité I, 1929
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Erich Schmid, Montmartre, 1972
Surrealismus und Dadaismus



Für die Surrealismus-Rezeption von Künstlern, die längere Lebensphasen in Österreich verbrachten und in der Zwischenkriegszeit des Längeren in Paris weilten, stehen Edgar Jené, Wolfgang Paalen und Raoul Hausmann. Edgar (Erhard) Jené stammte aus Saarbrücken und studierte 1924–28 in Paris an der École nationale des beaux-arts, an der Académie Julian und an der Académie de la Grande Chaumière, bevor er 1928–35 wieder in Saarland lebte. Jené ist einer der wenigen deutschen Künstler, die vor dem NS-Regime nicht in Richtung Westen, sondern nach Österreich flohen. Vor und nach 1945 wirkte er – vorerst noch im Untergrund – als wichtiger Vermittler des Surrealismus nach Österreich. 1950 zog er wieder nach Paris, wo er enge Kontakte zum Kreis um André Breton pflegte, und 1965 weiter ins burgundische La Chapelle St. André, wo er 1984 starb. Der Wiener Maler Wolfgang Paalen lebte 1934–39 in Paris und studierte kurz bei Fernand Léger, bevor er sich 1934/35 der Gruppe Abstraction-Création und gleich darauf den Surrealisten anschloss. 1936 präsentierte er sich in einer Ausstellung in der Galerie Pierre Loeb in der Rue Bonaparte 13 und gestaltete 1937/38 gemeinsam mit Marcel Duchamp, Man Ray und Salvador Dalí die Exposition Internationale du Surréalisme in der Galerie Beaux Arts in der Rue du Faubourg Saint-Honoré 140. Paalen ging 1939 nach Mexiko, lebte 1951 bis 1954 erneut in Paris und stellte in der Galerie Pierre und in der Galerie Galanis-Hentschel aus. Die letzten Lebensjahre bis zu seinem Freitod 1959 verbrachte Paalen wieder in Mexiko. Raoul Hausmann lebte bis zu seinem 15. Lebensjahr in Wien, bevor er mit seiner Familie nach Berlin ging und 1918 die Berliner Dada-Gruppe mitbegründete. 1933 flüchtete er aus Deutschland durch mehrere Länder, bevor er Paris erreichte, wo um 1938 einige seiner bekanntesten Fotoserien entstanden. Bis zu seinem Tod 1971 lebte er in Limoges.

Fotografie
Auch Madame d’Ora (Dora Kallmus) war eine Pionierin der künstlerischen Fotografie. 1907 bis 1927 betrieb sie in Wien ein erfolgreiches Atelier für Porträt- und Modefotos, das zahlreiche renommierte Künstler, Intellektuelle und sogar die Familie des letzten Kaisers Karl I. zu seinen Kunden zählte. 1925 eröffnete sie einen zweiten Standort in Paris, wo sie unter anderen Maurice Chevalier, Josephine Baker, Tamara de Lempicka, Fritzi Massary, Marlene Dietrich und Coco Chanel porträtierte. 1940 flüchtete sie nach Südfrankreich, wo sie im Versteck überlebte. 1946 ging sie zurück nach Österreich. Zwischen 1949 und 1957 reiste sie immer wieder nach Paris, wo unter anderem Porträtfotos von Picasso und eine bekannte Fotoserie von den Schlachthöfen Ivry Les Halles und Rue Brancion entstand. 1958 hielt Jean Cocteau die Eröffnungsrede ihrer Ausstellung in der Pariser Galerie Montaigne.
Österreichische Künstler:innen in Frankreich 1933–1938

Ein erneuter politischer Systemwechsel Österreichs begann mit der „Selbstausschaltung des Parlaments“ am 4. März 1933 und der folgenden Kanzlerdiktatur von Engelbert Dollfuß (auch „Ständestaat“ oder „Austrofaschismus“). Zudem hatte die „Machtergreifung“ der deutschen Nationalsozialisten im Jänner 1933 direkte Folgen für die austrofranzösischen Kulturbeziehungen. Denn Österreich sah sich nun vom zwangsweisen „Anschluss“ an Deutschland zunehmend bedroht und suchte die Nähe der Schutzmächte Italien und Frankreich. So wurde am 2. April 1936 ein österreichisch-französisches Kulturabkommen geschlossen. In diesem Rahmen wurden zahlreiche Ausstellungen französischer Kunst in Österreich und österreichischer Kunst in Frankreich veranstaltet. Die beiden wichtigsten Pariser Ereignisse in diesem Zusammenhang waren die Exposition d’Art Autrichien und Österreichs Beteiligung an der Weltfachausstellung Exposition Internationale des Arts et Techniques dans la Vie Moderne.
Die Ausstellung österreichischer Kunst wurde von einem großen offiziellen Komitee aus Fachleuten und Politikern um Alfred Stix[4] organisiert, den Direktor des Kunsthistorischen Museums in Wien. Sie fand parallel zur Pariser Weltausstellung von Mai bis Juni 1937 im Musée du Jeu de Paume des Tuileries statt und wurde auf zwei Ebenen präsentiert: Im Erdgeschoss war Kunst vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert zu sehen, während im Obergeschoss moderne Kunst und Kunstgewerbe gezeigt wurden. Der neuere Teil präsentierte Werke aller bekannten Größen der modernen Kunst Österreichs von Gustav Klimt bis hin zu Künstlern, die in Paris lebten oder gelebt hatten, wie etwa Jean Egger. Österreichs Botschafter in Paris zeigte sich angesichts zahlreicher Presseberichte zufrieden mit dem Erfolg.
Der österreichische Pavillon auf der Exposition Internationale des Arts et Techniques dans la Vie Moderne (25. Mai – 25. November 1937) wurde von Oswald Haerdtl entworfen. Haerdtl war ein Schüler Oskar Strnads an der Wiener Kunstgewerbeschule und langjähriger Mitarbeiter sowie Partner im Architekturbüro von Josef Hoffmann. Erstmals hatte er 1925 mit einer neoplastizistisch inspirierten Architekturausstellung im Pariser Grand Palais an Österreichs internationalen Kunstpräsentationen mitgewirkt. Österreichs nationaler Pavillon von 1937 war als überdimensionales Schaufenster auf schlanken Stützen konzipiert. So konnte sowohl Le Corbusiers Idee einer „schwebenden“ Architektur als auch die großformatige Fotomontage eines Alpenpanoramas von Robert Haas im Sinne der Selbstpositionierung Österreichs als Kultur- und Tourismusland realisiert werden. Eine wichtige Rolle spielten auch die Infrastrukturprojekte der 1935 eröffneten Großglockner-Hochalpenstraße und der Wiener Höhenstraße. Erneut reisten zahlreiche österreichische Künstler:innen zum Aufbau, zur Besichtigung der Ausstellung und zu nachfolgenden Arbeitsaufenthalten nach Paris. So entstanden beispielsweise neue Stadtbilder von Herbert Boeckl von der Kathedrale Notre-Dame und der Place de la Concorde.


Für die individuelle Künstlermigration der letzten Jahre vor dem Zweiten Weltkrieg nach Frankreich steht die Ankunft des Malers Kurt Weber, der Malerin Greta Freist[5] und des Malers Gottfried Goebel sowie der Architektin Margarete Schütte-Lihotzky und des Architekten Wilhelm Schütte in Paris. Weber studierte 1934 an der Académie de la Grande Chaumière, lernte Delaunay und Léger kennen und kam als kubistischer Maler zurück nach Graz. Freist und Goebel hatten an der Wiener Akademie studiert und gingen 1937 nach Paris, wo sie alsbald im Salon d’automne und im Salon des indépendants ausstellten. Freist schuf magisch-realistische Bilder, wandte sich alsbald dem Surrealismus zu und wurde nach 1945 zur abstrakten Malerin. Bis zu ihrem Tod 1993 lebte sie in Paris. Das Ehepaar Schütte(-Lihotzky) hatte 1930-37 mit der Architektengruppe um den Frankfurter Stadtbaurat Ernst May unter anderem an Schulen und Kindergärten für die sowjetische Industriestadt Magnitogorsk gearbeitet. Da ihre Pässe abgelaufen und ihre Arbeitsverträge nicht verlängert worden waren, verließen sie Russland und erreichten Anfang 1938 Paris. Dort arbeiteten sie mit Pierre Forestier und Tibor Weiner zusammen, bevor sie im Juni 1938 nach Istanbul weiterzogen.
Österreichische Künstler:innen in Frankreich 1938–1945
Nach dem „Anschluss“ Österreichs an NS-Deutschland am 13. März 1938 flohen viele Jüdinnen und Juden sowie politisch Verfolgte aus Wien nach Paris. Einige jüdische Künstler:innen gingen bald weiter ins Exil nach England oder Amerika, während andere bis zum deutschen Einmarsch im Juni 1940 in Frankreich blieben. Auch der Kunsthändler Otto Kallir (Nirenstein), der in Wien die moderne und zeitgenössische Kunst aus Österreich, Frankreich und anderen Ländern in seiner Neuen Galerie, mit einem Buchverlag und mit Ausstellungen (z.B. im Hagenbund) nach Kräften gefördert hatte, floh 1938 nach Paris. Im Frühjahr 1939 eröffnete er in der Rue du Faubourg-Saint-Honoré 40 die Galerie Saint-Étienne, die er nach dem Standort seiner Wiener Galerie nahe dem Stephansdom benannte. Ab 9. Juni 1939 zeigte Kallir in Paris die Ausstellung Jean Egger – peintre-symphoniste. Pierre Mornand, Chefredakteur der Zeitschrift Le Courrier graphique, steuerte einen kurzen Text für die Einladungskarte bei. Kallir konnte den Pariser Standort kaum ein Jahr lang halten und eröffnete 1939 die Galerie St. Étienne in New York, wo er ab 1940 lebte.
Zwischen dem Kriegsbeginn am 1. September 1939 und der deutschen Besetzung des Nordens Frankreichs nach dem Waffenstillstand vom 22. Juni 1940 waren wegen der Kriegshandlungen für Künstler:innen keine Reisen und auch kaum mehr Fluchtbewegungen dorthin möglich.

Von 1939 bis 1942 versuchten jene jüdischen österreichischen Künstler:innen, die sich bereits früher in Paris niedergelassen hatten oder nach dem „Anschluss“ Österreichs an NS-Deutschland 1938 dorthin geflohen waren, sich weiter in den nicht besetzten Süden Frankreichs unter dem Vichy-Regime oder nach England und in die USA zu retten. Allerdings bot auch Südfrankreich keine Sicherheit, weil das Vichy-Regime Jüdinnen und Juden an Deutschland auslieferte. Ein Beispiel ist der Grafiker Bil Spira/Willi Freier, der 1938 aus Wien nach Paris und 1939 weiter nach Marseille geflohen war, wo er als Passfälscher für Varian Fry arbeitete. Nach dem Verrat durch einen Spitzel 1941 war er bis 1945 in Le Vernet, Auschwitz und Buchenwald inhaftiert, bevor er nach Frankreich zurückkehrte, wo er 1999 verstarb.
Im November 1942 wurde aber auch der Süden Frankreichs von der deutschen Armee besetzt, sodass Juden und politisch Verfolgte – meist über das neutrale Spanien unter Diktator Franco – abermals zur Flucht gezwungen waren. Hingegen konnten österreichische Künstler:innen, die dem deutschen Militär angehörten oder gute Beziehungen zu Organen der deutschen Besatzungsmacht pflegten, zwischen 1940 und der Befreiung von Paris am 25. August 1944 vereinzelt Studien- und Arbeitsaufenthalte in der Hauptstadt oder an den Atlantik- und Mittelmeerküsten verbringen. So lernte etwa Gerhild Diesner 1943/44 mithilfe eines Mitarbeiters der Organisation Todt in Paris bei André Lhote und an der Académie de la Grande Chaumière in Paris. Zudem unternahm sie prägende Reisen auf den Spuren von Van Gogh und Gauguin nach Südfrankreich. Der Maler Georg Pevetz wiederum war Offizier der deutschen Wehrmacht und konnte sich in dienstfreien Zeiten der Landschaftsmalerei widmen.
Österreichische Künstler:innen in Frankreich 1945–1995
Mit dem Kriegsende am 8. Mai 1945 und der Wiedererrichtung der Republik Österreich änderten sich die Rahmenbedingungen der austrofranzösischen Kulturbeziehungen erneut grundlegend. Tirol und Vorarlberg blieben bis 1955 französische Besatzungszone. Die engagierte Kunstpolitik unter General Marie Émile Antoine Béthouart, der 1946 bis 1950 einer der vier alliierten Hochkommissare in Österreich war, förderte Studienreisen zahlreicher junger Künstler:innen nach Frankreich. Am 15. März 1947 wurde das österreichisch-französische Kulturabkommen von 1936 erneuert und ausgebaut. 1947 bis 1958 leitete der Kunsthistoriker Maurice Besset das neue Institut français in Innsbruck, das zahlreiche junge Tiroler Künstler:innen – etwa auch Oswald Oberhuber – mit der Moderne Frankreichs bekanntmachte. Auch in Wien wurden ein französisches Kulturinstitut sowie ein Lycée français gegründet. 1952 wurden sie im Palais Clam-Gallas und einem Neubau in dessen Park angesiedelt. Die vielfältigen Aktivitäten dieser französischen Kulturinstitutionen motivierten zahlreiche junge Österreicher:innen zu einer Reise nach Frankreich.
Wie schon um 1900 und in der Zwischenkriegszeit wechselten in der dynamischen Pariser Kunstszene immer neue „Ismen“ als kurzzeitig führende Kunstströmungen einander ab. Nach dem Surrealismus, dessen Wortführer André Breton von einigen angereisten jungen österreichischen Künstler:innen auf der Suche nach Anerkennung aufgesucht wurde, errang um 1950 die gestische und abstrakte Malerei unter dem Begriff des Informel die größte Aufmerksamkeit. Sie wurde ihrerseits um 1960 vom Nouveau Réalisme abgelöst.
Surrealismus und Phantastischer Realismus



In Paris lebten nach dem Krieg weiterhin einige österreichische Künstler:innen, die sich schon vor dem Krieg dort niedergelassen hatten, darunter Lilly Steiner, Greta Freist und Gottfried Goebel. Indirekt wurden die austrofranzösischen Kunstkontakte nun auch über die Künstlerkolonie in New York wiederbelebt: Marcel Duchamp hatte sich dort mit dem Exilösterreicher Friedrich Kiesler, der bereits 1926 aus Paris nach New York gekommen war, angefreundet und vorübergehend bei ihm gewohnt. André Breton lebte 1941–46 ebenfalls im New Yorker Exil und bat den nunmehrigen Surrealisten Kiesler 1945 um die grafische Gestaltung seiner Ode à Charles Fourier. Darauf folgte der erste größere Auftritt eines österreichischen Exilkünstlers in Paris nach 1945: Kiesler gestaltete die Ausstellung Le Surréalisme en 1947 in der Galerie Maeght in der Rue de Téhéran 13 mit dynamisch-farbintensiven Displays und symbolischen skulpturalen Objekten entlang eines surrealen Initiationsweges.
Bald kamen auch junge Wiener Maler:innen auf den Spuren des Surrealismus nach Paris. Von 1950 bis um 1960 lebte Friedensreich Hundertwasser (Fritz Stowasser) in Frankreich, wo er auch Umgang mit den späteren Künstlern des Nouveau Réalisme um den Kritiker Pierre Restany pflegte. 1975 erhielt er eine Personale im Musée national d’art moderne. 1950 traf auch Ernst Fuchs in Paris ein, wo er bis 1962 lebte. Wie Hundertwasser holte er in dieser Zeit jene Reisen quer durch Europa nach, die dieser Künstlergeneration während des Krieges verwehrt gewesen waren. Weitere Maler des Phantastischen Realismus, die seit den 1950er Jahren mehrere Jahre in Paris lebten, waren Arik Brauer und Maître Leherb (Helmut Leherbauer). Im Mai 1956 präsentierte sich die Wiener phantastische Realistin Reny Lohner in der Galerie Allard in Paris, das Vorwort zum Ausstellungskatalog verfasste der Komponist Henri Sauguet.
Fortleben der klassischen Moderne

Neben dem Surrealismus blühten im vielfältigen Pariser Kunstleben nach 1945 auch weiterhin viele andere Strömungen und Sparten der klassischen Moderne. Dazu zählten etwa die kubistische Malerei und Plastik, die Reportagefotografie sowie verschiedene individualistische Positionen, die sich keiner dominierenden Strömung zuordnen ließen.
1948 fand die erste Einzelausstellung eines österreichischen Künstlers in einem der großen staatlichen Museen Frankreichs statt: Der Bildhauer Fritz Wotruba, der mit seiner jüdischen Frau Marian(ne) Fleck 1938 aus Wien in die Schweiz geflüchtet und 1945 als Professor an die Wiener Akademie der bildenden Künste unter Rektor Herbert Boeckl zurückgekehrt war, konnte in dem 1937 gegründeten Musée national d’art moderne unter Jean Cassou im Palais de Tokyo seine Skulpturen präsentieren, die aus Kuben gebaut schienen.
1949 erreichte die deutsche Journalistin Inge Morath Paris, die seit 1945 in Salzburg und Wien gearbeitet hatte. Für die Agentur Magnum schrieb sie zunächst Texte, bevor sie zur Fotografie wechselte und ab 1953 Fotos für Paris Match und Vogue lieferte. 1962 heiratete sie den amerikanischen Schriftsteller Arthur Miller und lebte dann vor allem in den USA.
Die Wiener Malerin Trude Waehner[6], die an der Wiener Kunstgewerbeschule und am Bauhaus in Dessau studiert sowie im Vorstand des österreichischen Werkbundes gewirkt hatte, erwarb 1950 ein Haus im südfranzösischen Dorf Dieulefit, 90 km nördlich von Avignon. Hier hatten vor und während des Krieges zahlreiche weitere Künstler gelebt, darunter der österreichische Maler Willy Eisenschitz. Waehners ehemaliger Lehrer, der Architekt Josef Frank, der seit 1934 in Schweden und den USA lebte, war dort oftmals ihr Gast. Hier aquarellierte er und malte vielfärbige Hausentwürfe, die sich den Dogmen des International Style programmatisch entgegenstellten.
Der Wiener Bildhauer Josef Pillhofer studierte 1950/51 bei Ossip Zadkine an der Académie de la Grande Chaumière in Paris. 1951/52 lernte der junge Salzburger Maler Rudolf Hradil mithilfe eines Frankreich-Stipendiums bei Fernand Léger in Paris. In seinen frühen Bildern ist Légers kubistischer Stil deutlich spürbar.
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Inge Morath, Miss Eveleigh Nash, London, 1953
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Trude Waehner, Josef Frank beim Aquarellieren, 1950er Jahre
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Josef Pillhofer, Radfahrerin, 1951
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Rudolf Hradil, Stillleben mit Maiskolben, 1951
Informel, Tachismus, Abstrakter Expressionismus, Zero
1951 reisten auch die Malerin Maria Lassnig und der Maler Arnulf Rainer aus Klagenfurt nach Paris. Im Kärntner Künstlerkreis um Max Hölzer, der mit Edgar Jené die Surrealistischen Publikationen herausgab, war der Wunsch nach Teilhabe im Zentrum jener Bewegung entstanden. Lassnig und Rainer präsentierten ihre Arbeiten André Breton, was jedoch keine Folgen zeitigte. Allerdings besuchten sie die Ausstellung Véhémences confrontées, die im März 1951 in der Galerie Nina Dausset (Galerie Dragon) in der Rue du Dragon 19 stattfand. Die abstrakten Werke von Bryen, Capogrossi, Hartung, de Kooning, Mathieu, Pollock, Riopelle, Russel und Wols hatten die Gestaltungsprinzipien des Surrealismus in eine freie gestische Malerei weiterentwickelt. Dies dominierte alsbald die westliche Malerei unter den Begriffen des Informel, des Tachismus und des Abstrakten Expressionismus. Nach ihren drei Frankreich-Reisen 1951 lebte Maria Lassnig 1961–68 gänzlich in Paris, bevor sie nach New York weiterzog.
In den 1950er Jahren reisten zahlreiche weitere österreichische Künstler:innen, die sich über die neuesten Strömungen informieren wollten, nach Paris. 1952/53 studierte etwa der spätere konkrete Künstler Marc Adrian bei Ossip Zadkine an der Académie de la Grande Chaumière in Paris. Zwischen 1954 und 1960 hielt sich auch Hans Staudacher immer wieder in Paris auf. Er war in den dortigen Kunstbetrieb so gut integriert, dass er gelegentlich als ein Vertreter Frankreichs auf internationalen Ausstellungen reüssierte. 1957 reiste Markus Prachensky anlässlich einer Ausstellungsbeteiligung in der Galerie Arnaud nach Paris. In der Zeitschrift Art d’aujourd’hui stellte Pierre Guéguen seine Bilder jenen von Hans Hartung unter dem Titel Le Rouge et le Noir – ou Stendhal tachiste gegenüber. 1958 verbrachte Prachensky einen weiteren Arbeitsaufenthalt in Paris. 1958/59 lebte dort auch die Kärntner Künstlerin Kiki Kogelnik. In Paris lernte sie den amerikanischen Maler Sam Francis kennen, mit dem sie 1961 in die USA zog.
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Maria Lassnig, Informel, 1951
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Arnulf Rainer, Zentralisation, 1951
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Marc Adrian, K3, 1961
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Hans Staudacher, Wien-Paris, 1957
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Markus Prachensky, Liechtenstein, 1956-57
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Kiki Kogelnik, Ohne Titel, 1957

Der Maler, Architekt, Objektkünstler und Designer Hans Bischoffshausen kam über die Kunst von Lucio Fontana mit den minimalistischen Strategien der ZERO-Gruppe in Kontakt. 1959 ging er nach Paris, wo er zunächst in einer leerstehenden ehemaligen Manufaktur in der Rue de la Glacière 93 einen Raum für sich und seine Familie zu einem Wohnatelier ausbaute. Die kleine Künstlerkolonie der Glacière musste zwar 1962 einem neuen Wohnbau weichen, die Stadtverwaltung vermietete der Familie Bischoffshausen jedoch eine andere Wohnung gleich nebenan am Boulevard Auguste Blanqui 75. Bischoffshausen etablierte sich 1963 mit einer Einzelausstellung in der Galerie Weiller in der rue Gît-le-Coeur 5, der zahlreiche weitere Personalen und Beteiligungen folgten. Seine Freiraumgestaltungen, Betonreliefs und färbigen Betonglasbilder an öffentlichen Bauten zählen zu den subtilsten ihrer Art in Frankreich. Bischoffshausen schuf zwei Betonrelief-Wände für das Konservatorium in Grenoble (1964–68), Reliefmauern mit Glas an der Groupe Scolaire in Épinay-sur-Seine (1967–68) und große Außenanlagen mit Betonreliefs beim Lycée Jeanne d’Arc in Rouen (1971–74). In der Porzellanmanufaktur zu Sèvres schuf er auf Einladung von Direktor Serge Gauthier 1965–68 zahlreiche Keramikreliefs als Prototypen für Bauplastiken, die jedoch im staatlichen Programm für Kunst an öffentlichen Bauten keine Verwendung fanden und nie in Serienproduktion gingen. In Sèvres entstanden aber auch Prototypen von Keramikschalen und Vasen, die bei der Einrichtung mehrerer Botschaftsgebäude Frankreichs im Ausland reüssierten. 1971 ging Bischoffshausen zurück in seine Heimatstadt Villach.
Architektur

Die Präsenz österreichischer Architekt:innen in Paris kam nach 1945 nur langsam wieder in Schwung. Viele etablierte Baukünstler:innen waren nun mit dem Wiederaufbau in Österreich beschäftigt und einige Studierende bevorzugten Fulbright-Stipendien in den USA. So beschränkte sich die Präsenz der modernen und zeitgenössischen Architektur aus Österreich in Paris zunächst auf Ausstellungen. 1956 präsentierte das Musée pédagogique die Schau L’architecture autrichienne contemporaine, in der Wiederaufbau-Projekte zu sehen waren. 1962 gab es eine kleine Adolf Loos-Ausstellung im Maison des beaux-arts. In den 1960er Jahren nahm schließlich auch die Präsenz junger österreichischer Architekten in Frankreich zu, die dort in einem progressiven Umfeld studieren, in innovativen Ateliers arbeiten oder sich auf Ausstellungen präsentieren konnten.

Bernhard Leitner wuchs bis 1956 in Vorarlberg und Innsbruck auf, wo er das Institut français wahrnahm. Danach studierte er an der Technischen Hochschule in Wien. 1963–66 arbeitete er im interdisziplinären Atelier d’urbanisme et d’architecture (AUA) um Jacques Allégret und Jean Perrottet sowie im Büro von Paul Bossard. Später entwickelte er seine international bekannten Tonräume, darunter LE CYLINDRE SONORE im Parc de la Villette in Paris (1987).
1965 hatten die Grazer Architekten Günther Domenig und Eilfried Huth das Projekt Neue Wohnform Ragnitz entworfen. So bereicherten sie den internationalen Strukturalismus fünf Jahre nach Kenzo Tanges Tokyo Bay Plan um eines der am weitesten durchgearbeiteten Projekte flexibel ausbaubarer urbanistischer Systeme aus großen Primärkonstruktionen und eingefügten organoiden Raumzellen. Ein (verlorenes) großes Modell davon präsentierten Domenig und Huth erfolgreich 1969 in Cannes beim Grand prix d’urbanisme et d’architecture vor einer prominenten Jury, der unter anderen J.B. Bakema, Jürgen Joedicke, Louis Kahn, Jean Prouvé, Karl Schwanzer, Heikki Siren und Bruno Zevi angehörten. Ein Rekonstruktionsmodell davon wurde 2001 vom FRAC Centre in Orléans erworben.


Ebenfalls aus Graz stammte der Architekt Helmut Richter. Er studierte Informationstheorie in Los Angeles, bevor er 1971 bis 1975 an der École nationale supérieure des beaux-arts lehrte. Von dort brachte er eine kühle und präzise Ingenieur-Ästhetik zurück, die er über seine Lehre an der Technischen Universität Wien in der zeitgenössischen Architektur Österreichs verankern konnte.
Nach seinem Studium an der TU Graz trat der junge Architekt Dietmar Feichtinger 1988 in das Pariser Büro von Philippe Chaix und Jean-Paul Morel ein, bevor er 1993 sein erfolgreiches eigenes Atelier gründete. Zu seinen bekanntesten Realisierungen in Frankreich zählen die Passerelle Simone de Beauvoir in Paris (2004–08), die Zugangsanlagen zum Pariser Eiffelturm (2014), ein Campus der Universität Aix-en-Provence (2015), die Brücke zum Mont Saint-Michel in der Normandie (2015) und die Veolia Headquarters in Aubervilliers (2016).

Um 2000 wurden von österreichischen Architekten zwei große Museumsprojekte in Frankeich errichtet, die postmoderne und dekonstruktivistische Positionen exemplarisch realisierten. 1987 hatte das Pariser Centre Pompidou mit Hans Hollein – métaphores et métamorphoses eine erste große Architekturausstellung präsentiert und damit die Stellung der Postmoderne im französischen Architekturdiskurs gestärkt. 1994–97 errichtete Hollein nach einem gewonnenen internationalen Wettbewerb gemeinsam mit dem Atelier 4 aus Clermont-Ferrand das Museum Vulcania in Saint-Ours-Les-Roches in der Auvergne. 2001 fand schließlich der internationale Wettbewerb um das Musée des Confluences in Lyon statt, den Coop Himmelb(l)au mit dem Dekonstruktivismus-Pionier Wolf Prix für sich entscheiden konnte. 2014 wurde das Haus am Zusammenfluss von Rhône und Saône eröffnet.
In den 1990er Jahren wurde der austrofranzösischen Kulturaustausch weiter erleichtert. Der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union 1995 brachte die Reise- und Niederlassungsfreiheit. Die Mitgliedschaft beim Schengen-Abkommen 1997 führte zum Ende nationaler Grenzkontrollen. Diese Entwicklung förderte eine weitere starke Annäherung der Kulturräume Europas. Schließlich sorgten die Globalisierung und die Digitalisierung dafür, dass sich die Bedeutung des physischen Standorts für die Kunstproduktion deutlich relativierte.
Quellen und externe Links
- ↑ https://www.academiegrandechaumiere.com/celebrites
- ↑ https://sammlung.belvedere.at/people/2544/franz-wiegele
- ↑ https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Kunstgewerbeschule
- ↑ https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Alfred_Stix
- ↑ https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Greta_Freist
- ↑ https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Trude_Waehner
Literatur (Auswahl)
- Koller, Gabriele, Withalm, Gloria: Die Vertreibung des Geistigen aus Österreich. Zur Kulturpolitik des Nationalsozialismus, Ausstellungskatalog. Wien 1985.
- Tirol-Frankreich. Spurensicherung einer Begegnung, Ausstellungskatalog. Innsbruck: Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum 1991.
- Stadler, Friedrich, Weibel, Peter (Hg.): Vertreibung der Vernunft. The Cultural Exodus from Austria. Wien-New York: Springer 1995.
- Angerer, Thomas, Porpaczy, Barbara (Hg.): „Ein Frühling, dem kein Sommer folgte“? Französisch-österreichische Kulturtransfers seit 1945. Wien: Böhlau 1999.
- Husslein-Arco, Agnes (Hg.): Wien-Paris. Van Gogh, Cézanne und Österreichs Moderne, Ausstellungskatalog. Wien: Belvedere 2007.
- Poulot, Cécile: Adolf Loos: un architecte au carrefour de l’Europe (1870-1933). Paris : Hermann 2024.
Autor
Matthias Boeckl
Onlinestellung: 13/12/2024